Eine "allerbeste Freundin" (ABF) oder "Best Friend Forever" (BFF) zu haben, zählt wohl für viele Frauen zu den erstrebenswerten Zielen im eigenen Beziehungsgeflecht. Es ist doch so schön, diese EINE Vertrauensperson zu haben, die einem jeden Gedanken aus den Augen ablesen kann und synchron mit einem über die gleiche Sache lacht, oder? Ohne Absprache, versteht sich, rein telepathisch ... eine fast magische Verbindung, die sogar jede Ehe überdauern kann. Diese Vorstellung ist mindestens so romantisch wie die der "einzigen großen Liebe". Doch die "Trennung" kann sogar noch mehr schmerzen.
Ich habe keine beste Freundin mehr, seit ich ein Teenager war. Keine Person, mit der ich dauernd telefoniere oder über alte Witze mit Bart lache. Klar hatte ich immer wieder seit dem Studium Cliquen, welche sich vorbildlich offen für neue Leute von der Uni und aus den unterschiedlichen Bekanntenkreisen zeigten. Auch Freundinnen und Freunde, mit denen ich schon viel unternommen und erlebt habe. Aber zu dieser einen „allerbesten Freundin“ konnte ich mich als Erwachsene nie wieder durchringen, auch nicht zu einer absolut in sich geschlossenen Clique.
An einem bestimmten Punkt in meiner Vergangenheit hatte ich gute Gründe, um nie wieder einer Person als Freundin so hundertprozentig zu vertrauen, dass sie wirklich alles über mich weiß. Sicherlich war das nur eine von vielen Situationen, in denen ich „gelernt“ habe, dass die Loyalität von Freundinnen und Cliquen (speziell unter Mädchen) ziemlich starken Schwankungen unterworfen sein kann. Aber das folgende Beispiel ploppte vor meinem inneren Auge als erstes auf, vielleicht, weil es die stärkste "Warnung" für mich war, irgendjemandem noch blind zu vertrauen.
Nicht ganz "drinnen", nicht ganz "draußen"
Mein jüngeres Ich ist 16 oder 17 Jahre alt und hat relativ frisch die Schule gewechselt, ist dort allerdings auch mit dem Etablieren einer zuverlässigen Mädchenclique grandios gescheitert. Es hat nun Freunde und Bekannte unterschiedlicher Herkunft kennengelernt und umgibt sich in wechselnder Konstellation mit ihnen. Die meisten „guten Freundinnen“ haben sich abgewandt oder gar gegen die Person intrigiert, die ich war, als ich in einer neuen Situationen nach einem festen sozialen Anschluss suchte. Heute denke ich, dass ich diese Zugehörigkeit vielleicht zu sehr gewollt habe, mich dafür zu sehr verbogen habe und fiese Verhaltensweise dadurch zu lange geduldet oder auch „angezogen“ habe. Das ist natürlich nur eine Vermutung, welche allerdings nahe liegt, bedenkt man, welche Spuren der ständige Kampf um Anerkennung hinterlassen hat.
Bei einigen wenigen Menschen hatte ich das Gefühl immer „authentisch ich“ sein zu dürfen, ohne etwas zurückzuhalten oder zu verbergen. Dazu zählte ganz klar meine damals beste Freundin Jana* (Name geändert), die ich aus Kindergartenzeiten kannte. Wir waren beide in der gleichen lockeren „Wochenendclique“, zu der seit dem Übergang vom Klassen- zum Stufensystem leider auch einige Personen aus meiner ehemaligen Mobbingklasse zählten. Warum ich das duldete und akzeptierte? Vielleicht wollte ich – zu früh – einfach einen Strich unter ein dunkles Kapitel ziehen. Oder mich in Sachen Toleranz nicht auf die gleiche unterirdische Stufe stellen. Möglicherweise wollte ich mich trotz aller Turbulenzen auch einfach wie ein „normaler“ Teenager fühlen, der bereit ist, neu anzufangen.
Wenn alte Wunden aufreißen
In dieser losen Gemeinschaft befindet sich auch Nadja* (Name geändert) – eine ziemlich intrigante Hauptakteurin der damaligen Geschehens. Dazu später mehr. Jana und ich sind jedenfalls gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen über die Jahre, können uns alles erzählen und waren zum genannten Zeitpunkt kurz vorher noch zusammen im Urlaub gewesen. Also allerbeste Freundinnen für immer – zumindest ging ich davon aus. Bis zu jenem Sommerabend, als sie sich einfach von mir abwandte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich kurz zuvor meine Katze verloren – friedlich entschlafen in einem Feld. Ich trauere in dieser Erinnerung um meinen besten Freund auf vier Pfoten, weiß aber, dass das Leben weitergeht. An jenem Samstag sind die Eltern aus dem Haus, ich biete also unseren Garten als Ort für das Treffen an. Jana fragt mich, ob es mir denn recht ist, wenn auch die Leute aus meiner ehemaligen Klasse mit dabei sind, unter ihnen Nadja. Und weil ich finde, dass Toleranz eben keine Einbahnstraße ist, stört es mich nicht. Warum auch? Solange sich die Leute respektvoll benehmen, alles in Ordnung.
Leider benehmen sie sich eben nicht so, stattdessen beginnt Nadja bereits kurz nach ihrer Ankunft damit, herumzunörgeln und schlechte Stimmung zu verbreiten. Ihr Bier ist ihr nicht kühl genug, ich biete ihr an, einfach noch einmal im Kühlschrank nachzuschauen. Nadja hat heute verdammt schlechte Laune, offenbar hat sie noch keinen Joint geraucht? Oder ihr ist sonstwie eine Laus über die Leber gelaufen. Jedenfalls fragt sie, ob es in Ordnung ist, wenn sie sich einen Joint anzündet. Normalerweise ist das unter 18 illegal, ich zucke aber die Achseln, ist ja ihr Bier … ähm .. Joint, ob sie kifft oder nicht. Nur drinnen rauchen oder gar kiffen – darauf reagieren meine Eltern ganz allergisch. Aus gutem Grund, denn irgendjemand hat unserem Küchentisch schon einmal versehentlich einen Brandfleck verpasst und hinterher stinkt die ganze Bude. Alle Anwesenden kennen die Regeln im Haus und im Garten und wissen, dass ich sie als Gastgeberin eben auch darauf hinweisen muss. „Klar kannst du dir einen Joint anzünden. Aber nicht hier drin“, stelle ich klar und deute freundlich, aber bestimmt auf die Terrassentür. Draußen ist mir das herzlich egal.
Die Antwort gefällt Nadja offenbar nicht. „Was ist denn das für ne Scheißparty … Du bist wohl immer noch so’n Opfer. Total öde hier, echt“, ätzt sie herum und fügt noch einige wenig schmeichelhafte Dinge hinzu. Die anderen Leute in der Runde haben diesen Konflikt mitbekommen, alle stehen stocksteif da. Man kann die Spannung in der Luft geradezu knistern hören. Auf der einen Seite Nadja, die offenbar noch jede Gelegenheit nutzt, mir einen fiesen Spruch reinzuwürgen und meine Gutmütigkeit auszunutzen. Auf der anderen Seite ich, die hier verdammt nochmal wohnt und das „Hausrecht“ hat – stellvertretend für die ganze Familie natürlich. Nadja durchbohrt mich mit einem stechenden, boshaften, geradezu angeekelten Blick. „Wie spießig. Das macht hier keinen Spaß… Kommt Leute, wir gehen“, sagt sie dann und wendet sich von meinem ziemlich verdatterten Teenager-Ich ab, das gerade nicht so recht weiß, wie es auf so viel grundlose Aggression reagieren soll.
Der Moment, in dem alles zerbrach
Nadja stapft also wütend wie ein Rumpelstilzchen in Richtung Haustür und ich warte darauf, dass irgendwer in der Runde sie zur Vernunft bringt. Ihr sagt, dass sie sich abregen soll … einfach wieder klarkommen im Kopf. Schließlich ist sie doch diejenige, die herumgestänkert hat. Doch niemand sagt ein Wort. Erst gehen die Leute aus meiner ehemaligen Klasse hinter ihr her. Nach einigem Zögern dann auch Freundinnen aus einer anderen Klasse, die ich zuvor für meine Felsen in der Brandung gehalten hatte. Mein Blick trifft den von Jana. Sie kann sehen und spüren, wie sehr mich das hier gerade verletzt, zurückkatapultiert in Zeiten, zu denen ich niemals zurückkehren wollte. Sie wirkt unsicher und ratlos. Sag was, du bist meine beste Freundin … bitte sag einfach irgendwas, flehen meine Augen sie an. Janas Blick wird für einen Moment starr. „Na nun kommt schon, raus aus diesem Saftladen“, drängelt Nadja ungeduldig, als könne sie über Herz und Gewissen aller Beteiligten bestimmen.
Janas Blick wird leer, geradezu glanzlos. Wie immer, wenn sie mit sich kämpft und nicht weiter weiß. Aber was ist verdammt nochmal so schwer daran, seine beste Freundin zu verteidigen oder andere vernünftig wieder zu erden? Sie muss sich also entscheiden – die Clique oder ich. Ein paar Momente später hat sie sich entschieden. Sie wendet sich von mir ab und folgt der Gruppe nach draußen. Mein jüngeres Ich bleibt allein zurück, als die Tür zufällt. Seine Augen füllen sich mit Tränen, denn es hat nicht nur seine geliebte Katze, sondern nun auch noch seine beste Freundin verloren. Ich räume stillschweigend das Chaos weg, das die Gruppe im Garten bereits hinterlassen hat. Wenn man schon einen solchen Abgang hinlegt, sollte man zumindest seinen Müll wegräumen. Es sei denn, man betrachtet den Gastgeber als wertlosen Müll. Ich weiß in diesem Moment jedenfalls: Das war’s. Jana und ich werden nie wieder beste Freundinnen sein. Und eigentlich will ich auch nie wieder eine absolut beste Freundin haben, so sehr, wie dieser Vertrauensbruch schmerzt.
Scherben bringen kein Glück - aber manchmal Stärke
Mit dem Wissen von heute besuche ich mein unsicheres, gerade ziemlich gebrochenes jüngeres Ich, das jahrelang glaubte, für Anerkennung durch die falschen Leute gegen sich selbst kämpfen zu zu müssen. Ich schaue es fest an und lege ihm eine Hand auf die Schulter. „Du brauchst sie nicht. Glaub mir, in der Welt da draußen gibt es so viele tolle Menschen“, versichere ich ihm. Und: „Keine beste Freundin zu haben ist besser als falsche Freunde zu haben. Du bist wertvoll – mit oder ohne sie.“ Dann umarme ich mein jüngeres Ich noch einmal, das da so verloren die „Scherben“ seiner Hoffnung aufräumt, endlich komplett irgendwo dazuzugehören. Und die Scherben einer langen Freundschaft, die enger war als die Beziehung zur ersten großen Liebe.
Ich schenke dem Teenager von früher einen Blick in eine bessere Zukunft und mache mich wieder auf den Weg ins Hier und Jetzt. Dort angekommen, überlege ich. Brauche ich eigentlich wirklich eine exklusiv allerbeste Freundin oder möchte ich mit diesem Wunsch nur eine Lücke füllen, eine Wunde heilen? Tief in mir drin weiß ich, dass es für mich in Ordnung ist, mehrere gute Freunde zu haben, ohne eine Hierarchie aufzustellen. Ich brauche keine andere Person mehr, um absolut synchron im gleichen Takt mit ihr zu ticken.
Denn wenn ich eines gelernt habe, dann das: Freundschaften verändern sich beizeiten so schnell wie das Leben. Und dann ist es gut, offen für diejenigen zu sein, die eine Freundschaft wirklich wollen. Mein neues Ziel: Kontinuierlich wieder mehr für mein Kontaktnetzwerk zu tun und denen, die an meiner Seite geblieben sind, wieder näher zu kommen. Die Welt ist schließlich groß und viele Türen stehen offen! Ob ich noch wütend auf Jana bin? Nein. Auch sie war jung, manchmal innerlich zerrissen und musste noch zu ihrer Stärke finden, die sie wahrscheinlich heute in sich trägt. Letztens habe ich ein paar alte Briefe und Fotos wiedergefunden. Ich frage mich, was wohl aus ihr geworden ist und ob wir uns noch heute verstehen würden. Ohne die Welt um uns herum dabei auszuklammern.
Wie ist das bei euch? Habt ihr eine "ABF"/"BFF" oder hat euch das Leben bei Freundschaften auch so durchgeschüttelt wie eine Achterbahn?
Herzliche Grüße
Eure Cat
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