Momentan gehen sie wieder los, die Hamsterkäufe in den Supermärkten. Die Devise lautet: Deck‘ dich mit günstigem, haltbarem Essen ein, bevor die nächsten Preissprünge kommen. Überhaupt sollen wir ja alle einen Notvorrat von knapp zwei Wochen für einen drohenden flächendeckenden Stromausfall anlegen. Das Gas wird knapp, der Strom wird teuer, alles wird teurer oder schwerer zu bekommen wegen gestörter Lieferketten. Als nächstes kommen die Plünderungen, die Zombieapokalypse und wir werden alle sterben. OK, das war übertrieben. Aber ein wenig gibt es doch die Stimmung in unserem Land schon wieder, oder?
Der viel beschworene „Teuer-Schock“
Zugegeben, auch mir wird oft bei den Preisen für den „ganz normalen Familieneinkauf“ über eine Dauer von ein bis zwei Wochen mulmig. Böse Zungen könnten behaupten, so einen Blackout würden wir mit unseren Vorräten locker überstehen. Leider gibt es dennoch immer Dinge, die viel zu schnell weggefuttert sind. Irgendwie kein Wunder bei zwei Kindern, die jeden Tag eine Brotdose mitnehmen, einem auswärts arbeitenden Mann, der ebenso sein gesamtes Essen für den Tag morgens in den Rucksack steckt und mir im Homeoffice, die eh fast immer zu Hause is(s)t. Und da wären noch die zwei Vierbeiner, die sich leider nur von Fisch, Fleisch und Fertigfutter ernähren können, da sie von Natur aus Fleischfresser sind.
Ganz im Gegensatz zu uns übrigens, die eindeutig mehr Gemüse als Steak essen und immer, wenn vorhanden, die Alternative zu Fleisch aus Massentierhaltung bevorzugen. Mit den Milchprodukten ist es so eine Sache – hier können wir nicht immer auf pflanzliche Produkte ausweichen. Zumindest habe ich zum „Komplettveganer“ noch keine passende Lösung gefunden. Aber egal, ob man Sojabratlinge oder eben ein Schweinekotelett erstehen will – es ist beides vor allem eins: schweineteuer! Inzwischen hat „normale“ Kuhmilch oft die Preisklasse eines Soja- oder Haferdrinks erreicht (ca 1 € und etwas mehr bei der günstigsten vorhandenen Eigenmarke). Nur das Fleisch kommt mir im Vergleich zu Gemüsebratlingen und „Veggie-Wurst“ immer noch vergleichsweise günstig vor.
Echte Versorgungsnot oder doch „German Geiz“?
Alles wird knapp und teuer. Soweit habe ich das verstanden. Aber sind die Lebensmittelpreise hierzulande wirklich so überteuert, wie es uns vorkommt, oder nähern sie sich nur dem Preisstandard in der EU an? Hierzu habe ich eine interessante Studie und Tabelle im Netz gefunden, denen zufolge 2020 nur 12% des Haushaltseinkommensin Deutschland für Lebensmittel ausgegeben wurden. Ihr findet sie hier. Zum Vergleich: Nur in Luxemburg wurde 2020 durchschnittlich weniger für Lebensmittel ausgegeben – nämlich 9,5% des Haushaltseinkommens.
Offenbar waren wir Deutschen schon immer bereit, am ehesten an dem zu sparen, was täglich in unsere Mägen wandert. Und uns die gefühlt 100.000 Spartipps im Netz durchzulesen, die das (Spar-) Rad angeblich täglich neu erfinden. Was sie übrigens nicht tun – wir mussten uns in Zeiten des Dauerkonsums und Überflusses nur nie damit beschäftigen. Und wo wir schon beim Einkaufen und Wegwerfen sind: Laut der Plattform https://foodsharing.de werden nach wie vor rund 30 % noch gut essbare Lebensmittel weggeworfen. In der Gastronomie, im Lebensmittelhandel (oft bereits im Zuge der Lieferketten) und in Privathaushalten. Und ich bekenne mich da auch durchaus schuldig – auch bei uns landet hin und wieder etwas im Müll, weil es nicht rechtzeitig gegessen wurde.
Wenn Sparen ad absurdum führt
Wir Deutschen sind übrigens nicht allein mit unserer Angst vor Lebensmitteln, die „zu teuer“ werden. Auch in den USA, wo das soziale Fangnetz, das wir hier haben, übrigens kaum vorhanden ist, ist Inflation schon seit Jahren ein Riesenthema. Und natürlich das extreme Sparen mit Couponing-Systemen. Vor etwa zehn Jahren gab es auf Youtube eine Reality-Doku, die mich doch etwas irritiert zurückgelassen hat. Da wurden amerikanische (Haus-) Frauen und Mütter (warum eigentlich immer die Frauen … na egal, anderes Thema ;)) durch ihren Einkaufsalltag begleitet. Der sah in der Doku in etwa so aus: Stunden- und tagelang Sparcoupons ausschneiden, in Ordnern sammeln und zum monatlichen Einkaufstag herausholen. Mit all diesen Coupons in einem Schlachtschiff von Van mehrere gigantische Supermärkte abklappern und mehrere riesige Einkaufswagen mit (zumeist „ungesunden“ und billig hergestellten) Waren füllen, die es eben im Dutzend billiger gibt. Schließlich mit all diesen Einkaufswagen ewig lange die Kasse blockieren, jeden Coupon einzeln abscannen lassen, mit der Kassiererin über jeden Dollar diskutieren und mit einem extrem günstigen Kassenzettel stolz wie Oscar wieder rauskommen. „Ich habe soooo viel gespart“, flöteten die Couponing-Expertinnen dann jedes Mal strahlend in die Kamera.
Okay – jagen und sammeln im 21. Jahrhundert, Prinzip gecheckt. Dann wurden jedes Mal die Riesenmengen an Lebensmittel in den gigantischen Kofferraum des Familienvans gestopft, im heimischen Mausoleum … pardon, Vorratskeller … einsortiert und dort wartete das Essen darauf, verbraucht zu werden. Ich persönlich habe mir bei der Serie damals immer drei Fragen gestellt:
Wenn dieses „Couponing“ (was ja im vernünftigen Maß sinnvoll sein kann) theoretisch ein Vollzeitjob ist, warum machen sich diese Damen nicht als „Sparcoaches“ selbstständig?
Was zur Hölle macht man mit Cornflakes für die nächsten fünf Jahre im Vorratskeller? Oder mit 20 Gallonen Milch, die ja immerhin sowas wie ein Verfallsdatum hat? Wird es in 10 Jahren keine Zahnpasta und kein Shampoo mehr geben oder warum füllt man damit halbe Einkaufswagen?
Sind der von Verschwörern vorhergesagte Weltuntergang und die Zombieapokaypse etwa doch keine Mythen und ich habe das nur nicht mitbekommen?
In Bezug auf die riesigen Shopping-Malls in den USA und den doch imposanten Sonderpostenläden darin habe ich euch übrigens ein sehr lustiges Video von der „Holderness Family" verlinkt.
Was ist (uns) Nahrung wert?
Aber nun mal im Ernst, bei allem satirischen Schmunzeln über mutmaßlich teilgeskriptete US-Dokus... Die aktuellen Preissteigerungen sind irgendwie auch ein Anlass zum Nachdenken, oder? Ist es wirklich so egal, was wir kaufen und konsumieren, wenn nun schon das “Billige“ immer teurer wird? Erkennen wir, dass hinter jedem Produkt auch Produktionskosten, Arbeitskräfte und teils hart erwirtschaftete Ernten stehen? Wissen wir, wie viel Arbeit, Zeit und Aufwand es benötigt, um ein Tier erst aufzuziehen, um es dann zu schlachten oder zu melken oder seine Eier einzusammeln? Wollen viele das überhaupt wissen, vor allem, unter welchen Bedingungen tierische Produkte entstehen? Muss man denn wirklich mehrmals in der Woche ein Steak verzehren (auch wenn es nicht vergoldet ist wie das von Cristiano Ronaldo)? Ist es eigentlich clever, Äpfel aus Südafrika importieren zu lassen, obwohl Deutschland und seine Nachbarn geradezu von Apfelbäumen übersät sind? Und brauchen wir perfekt geformtes und genormtes Obst und Gemüse, während alles „nicht so Perfekte“ weitgehend im essbaren Zustand entsorgt wird?
Ich weiß, das muss nun alles total moralisierend und ideologisch aufgeladen klingen. Natürlich steht es mir nicht zu, über den Speiseplan anderer Menschen zu entscheiden. All diese Fragen – und viele andere – sind nur die, die ICH mir schon vor der aktuellen Krise dauernd gestellt habe. In einem Satz zusammengefasst: Ich frage mich schon lange, was (uns) Nahrung in den Industriestaaten weltweit eigentlich wert ist oder sein sollte. Während in anderen, finanziell schlechter gestellten Regionen reihenweise Menschen verhungern oder an Mangelernährung leiden.
Sinnvolle Erkenntnisse aus der (Preis-) Krise ziehen
Ich habe für mich jedenfalls beschlossen, einige Schritte aus dem Lieferkettenwahnsinn heraus zu wagen. Zumindest da, wo es geht und wo es mit meinem Arbeitsalltag vereinbar ist. Dazu gehört,
für regionale Produkte auch einmal die regionalen Versorger und Hofläden anzufahren;
mich endlich auf der Foodsharing-Plattform und bei „Too Good to Go“ anzumelden;
evtl. saisonale Obst- und Gemüsekisten mit „geretteten“ Lebensmitteln zu bestellen oder mir den Onlinehänder "Sirplus" anzuschauen;
wo es geht, vorwiegend pflanzliche Produkte zu wählen;
neben dem Preis auch auf die Produktherkunft zu achten, dann ist die Produktion „günstiger“ für Mensch und Umwelt.
Nun bin ich aber wirklich neugierig. Welche Erkenntnisse habt IHR aus der aktuellen Preissteigerung bei Lebensmitteln gewonnen? Wie haben sich eure Einkaufsgewohnheiten verändert? Wie bringt ihr Sparen und intuitives Essen zusammen? Und welche Maßnahmen habt ihr konkret neu für euch entdeckt, um nachhaltiger und günstiger einzukaufen?
Liebe Grüße,
Eure Cat
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