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Ich bin gern Annika!

Aktualisiert: 6. Feb. 2023

Wie die meisten Kinder meiner Generation (man nennt sie die „Gen Y“) bin ich mit den spannenden Geschichten von Astrid Lindgren aufgewachsen. Die Abenteuer von Pippi Langstrumpf und ihren Freunden Tommi und Annika waren dabei wirklich mein persönliches Vorlese-Highlight! Später gab es diese Geschichten voller Nostalgie auch noch als Fernsehserie. Und noch später entdeckte ich auf Facebook immer wieder den Spruch: „Sei Pippi, nicht Annika!“. Eine Sache habe ich allerdings bis heute nicht verstanden: Warum eigentlich nicht?



Zwei mal drei macht vier, widdewiddewitt, und drei macht neune … Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt …“ Der Titelsong zu „Pippi Langstrumpf“ ist ein Ohrwurm, den fast jeder ohne Nachdenken mitträllern kann. Pippi lebt ganz nach Astrid Lindgrens Aufruf: „Sei frei, wild und wunderbar!“ und steht als coole Rebellin jedem Gehorsamsideal entgegen, das zur Entstehungszeit von Lindgrens Kinderbüchern noch in vielen Familien gelebt wird.


Fleiß, Regeln, Ordnung, Hausaufgaben, Pünktlichkeit- das entspricht eher der Lebenswelt von Tommi und Annika. Deren Leben mit ihren Eltern bietet zwar keine besonderen Abenteuer, aber eine Menge Geborgenheit, Sicherheit und stabile Routine. Gut also, dass es die allein lebende Pippi mit vielen Flausen im Kopf gibt, die ihren Alltag auflockert. Andersherum helfen Tommi und Annika Pippi dabei, im Rausch ihrer genial-verrückten Ideen auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, wenn sie es zu bunt treibt. Eine perfekte Symbiose also, möchte man meinen, in der jedes Element seine Berechtigung hat.


„Sei Pippi, nicht Annika!“


Ich kann mich nicht genau erinnern, wann ich zuerst das Motto „Sei Pippi, nicht Annika!“ in meinen Social-Media-Feeds gesehen habe. Es mag einige Jahre her sein, dennoch brachte es mich zum Nachdenken. Die Message dahinter erschließt sich schnell. Menschen- und speziell Mädchen und Frauen – sollen sich was trauen. Sie sollen auffallen, laut ihre Meinung kundtun, alles und jeden auf ihrem Weg hinterfragen, Visionen verkünden und groß denken. Wer schert sich denn schon um diese alltäglichen Details, gesellschaftlichen Normen und praktischen Routinen? Weg damit, aber schnell … Raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer! Probiere mal etwas ganz Neues, brich die Zelte ab, lass deinen Job, deinen Wohnort, vielleicht auch einen Partner hinter dir, um dich selbst zu finden! Aber eines sollst du auf keinen Fall sein: durchschnittlich und langweilig.




Je öfter mir dieses Motto begegnete, desto seltsamer kam es mir vor. Denn es zeichnet ein sehr deutliches und einseitiges Bild, in dem nur ein bestimmter Frauen- nämlich Menschentyp als erstrebenswert und „cool“ gilt. Auch ich mochte und mag die flippige, wagemutige Visionärin Pippi – eine Person, die in ihrem Optimismus nie Hindernisse auf ihrem Weg sieht. Aber von meinem Naturell her würde ich mich eher in der Kategorie „Annika“ einordnen, selbst wenn mein Haus nie so aufgeräumt sein wird wie das von Marie Kondo. Und das finde ich nicht schlimm – also beides nicht.


Denn absolute Ordnung muss nicht die Priorität jedes Menschen sein, dennoch kann man bestimmte, gleichbleibende Strategien, Ziele und Werte verfolgen. Man muss nicht begeistert sofort auf jeden leuchtend bunten Zug aufspringen, sondern kann auch abwarten, bis dieser erfolgreich seine erste Teststrecke absolviert hat. Besonnenheit, Sicherheitsbedürfnis und Vorsicht, gepaart mit einer guten Prise Realismus, können nicht nur „Schwächen“, sondern durchaus Tugenden sein, um unbeschadet durchs Leben zu kommen.


Kein Superstar ohne Manager


Klar, Pippi ist natürlich der Star in den Büchern und der Serie. Ihr aufregendes, rebellisches Leben schillert in allen Farben des Regenbogens und ihre Abkehr von vielen Normen macht sie interessant. Zumindest auf den ersten Blick interessanter als Tommi und Annika, deren Leben in ruhigeren, „geordneten“ und konventionelleren Bahnen verläuft. Dennoch sind Tommi und Annika keinesfalls unglücklich damit oder müssen Pippi um irgendetwas beneiden.





Klar, Pippi ist natürlich der Star in den Büchern und der Serie. Ihr aufregendes, rebellisches Leben schillert in allen Farben des Regenbogens und ihre Abkehr von vielen Normen macht sie interessant. Zumindest auf den ersten Blick interessanter als Tommi und Annika, deren Leben in ruhigeren, „geordneten“ und konventionelleren Bahnen verläuft. Dennoch sind Tommi und Annika keinesfalls unglücklich damit oder müssen Pippi um irgendetwas beneiden.

Wäre Pippi ein Star im Reality-TV, so würde sie Annika garantiert als ihre Managerin anheuern. Warum sie das tun sollte?


  • Annika ist fleißig und loyal und scheut keinen Einsatz, um ihrer Freundin immer wieder aus der Patsche zu helfen.

  • Wenn Pippi den Kopf zu weit in die Wolken streckt, holt Annika sie freundlich, aber bestimmt wieder auf den sprichwörtlichen Boden der Tatsachen zurück.

  • Die Idee mag erst einmal verrückt klingen, aber Annika macht (erst einmal) fast jeden Spaß mit.

  • Annika ist fürsorglich und aufmerksam, unterstützt ihre Familie und Freunde, wo immer sie kann.

  • Es macht Annika nichts aus, NICHT andauernd im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Sie ist zufrieden genug mit sich und ihrer Umwelt, um sich über die kleinen, „unscheinbaren“ Dinge zu freuen und einfach Teil einer Gemeinschaft zu sein.

  • Annika setzt sich durch, wenn sie muss – allerdings mit Humor und in „leisen Tönen“.

  • Dadurch, dass sie gewisse Tatsachen (zum Beispiel eindeutig bewiesene Fakten im Schulunterricht) akzeptiert, fällt es ihr leichter als Pippi, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren und ihre Kräfte einzuteilen.

  • Mit ihrer Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit, aber auch mit ihrem Realismus wirkt Annika auf sehr viele Menschen – auch auf Pippi – vertrauenswürdig.

  • Annika lässt die Menschen sein, wie sie sind und neidet Pippi nicht ihre überschäumende Kreativität und ihre visionäre Strahlkraft. Stattdessen strahlt sie selbst in einem sanfteren, wärmeren Licht und befindet mit sich und ihrem Umfeld im Einklang.

  • Missgunst ist Annika fremd. Sie weiß, dass Menschen verschiedene Eigenschaften und Stärken haben, hat keine Vorurteile und konzentriert sich auf das, was sie selbst am besten kann.

Pippi ist cool- aber auch anstrengend!


Ich kann mich im Großen und Ganzen mit vielen „Annika-Eigenschaften“ gut identifizieren. Warum sollte die introvertierte, nicht immer bunt schillernde Seite eines Menschen nicht genauso wertvoll sein wie große Visionen und große Auftritte? Pippi ist „laut“ und impulsiv, Annika eher zurückhaltend und besonnen. Und damit im Grunde genauso cool wie Pippi. Ich bin selbst eine typische „Annika“, meine Töchter sind aber absolut „Pippi“. So sehr mich ihre spontanen Aktionen, ihr charmantes Selbstbewusstsein und ihre absolute Mitteilungsfreude glücklich machen, finde ich zu viel des Guten beizeiten auch anstrengend. Vor allem dann, wenn die Dinge im Alltag einfach mal laufen müssen und man weder Zeit noch Nerven für Überraschungen übrig hat.




Deswegen ist die Zeit, in der die Kinder abends endlich im Bett sind, auch oft „meine“ Zeit. Um mich mit meinen Freunden und Bekannten zu vernetzen, mit meinem Mann noch einen Film zu schauen, noch etwas Wichtiges zu erledigen und vorzubereiten oder um in aller Ruhe eben einen Text zu planen und zu schreiben. Denn wie Annika muss ich in allen stressigen oder schwierigen Situationen vor allem einen kühlen Kopf bewahren – dazu brauche ich Zeit und Ruhe. Zumindest hin und wieder.


Tommi, Annika und Pippi: ein starkes Team


Es gibt meines Erachtens also keinen „besseren“ oder „schlechteren“ Persönlichkeitstyp. Sowohl extrovertierte als auch (teilweise) introvertierte Menschen haben ihre Stärken und ihren Platz in der Gemeinschaft. Solange man sie nicht versucht zu verbiegen. Pippi, die wie Annika ist? Das wäre nicht „echt“. Annika, die versucht, eine zweite Pippi zu werden? Auch das ginge eher ins Lächerliche. Aber zusammen sind die beiden Mädchen – natürlich mit Tommi – ein Team, das sich gegenseitig sehr gut ergänzt und gemeinsam jede Herausforderung meistert. Und das sind doch einmal richtig gute Nachrichten!



Wie ist das bei euch? Seht ihr euch eher als „Tommi“, „Annika“ oder „Pippi“ und was schätzt ihr am meisten an euren Freunden?


Liebe Grüße

Eure Cat

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