Ob „Carpe diem!“ („Pflücke den Tag!“), „Zeit ist Geld!“ oder schlicht: „Der frühe Vogel fängt den Wurm!“. Jeder kennt diese Redensarten, die uns eintrichtern: Jetzt beeil dich doch endlich! Wir haben schließlich nicht ewig Zeit und nur dieses eine Leben! Ein Zeitgeist kennt viele Erscheinungsformen. In Michael Endes „Momo“ (Buch 1973, Film 1986) trägt er graue Anzüge,eine Dienstnummer und raucht Zigarre. Er wirkt eiskalt, unmenschlich, übermächtig und geht schließlich in Rauch auf.
Ursprünglich kannte ich „Momo“ von Michael Ende nur in gedruckter Form – bis ich in der Bibliothek zufällig auf die Verfilmung stieß. „Lass dich überraschen“, dachte ich und widmete dem Film gleich drei Stunden – weil ich ihn für diese Rezension zweimal angesehen habe. Ansonsten kann sich ja niemand diese vielen Details und Anspielungen auf realhistorische und philosophische Ereignisse merken. Und ich bemerkte auch gleich erstaunliche Parallelen zu dem amerikanischen Film „In Time – deine Zeit läuft ab!“, welcher knapp 30 Jahre später in den Kinos anlief. Aber dazu ein anderes Mal mehr – und auf zu einer Reise in das moderne, quirlige, herzliche Rom der 1970er und 1980er Jahre!
Momo – ein ganz normales Mädchen?
Ich kann und werde in diesem Beitrag nicht die ganze Zusammenfassung eines Films einbringen, dessen Inhalt die meisten eh kennen. Wer eine kleine Auffrischung alter Kindheitserinnerungen benötigt, kann gern hier nachlesen. Reden wir über die Protagonistin: Momo, ein junges Mädchen mit einer besonderen Gabe. Dass sie überhaupt auftaucht beziehungsweise von Beppo, dem Straßenkehrer gefunden wird, ist purer Zufall, denn sie hat sich im Loch einer Mauer versteckt. Ein scheues, traumatisiertes Waisenkind, will man zu Anfang meinen – bis sie Vertrauen in ihre Umwelt fasst und als Freundin und geduldige Zuhörerin zum Mittelpunkt ihres Stadtviertels wird.
Momo ist ein Mädchen, das nicht viel besitzt – aber in seiner Warmherzigkeit, Neugierde und Bescheidenheit längst sein Glück gefunden hat und dieses Lebensgefühl auch an seine zahlreichen Freunde weitergibt. Heute würde man Momo wohl eine Empathin nennen, ein sanftmütiges Wesen, das inneren Frieden ausstrahlt und vor allem besonders gut und intensiv zuhören kann. Dabei schenkt sie ihren großen und kleinen Freunden im Viertel das Wertvollste, was sie hat – ihre Zeit. Momo hat keine Vorurteile, dafür aber für wirklich jeden ein freundliches Wort übrig und kann ihren Mitmenschen durch einfache Fragen nach dem „Warum“ über ihre eigenen Konflikte und Sorgen hinweghelfen.
Der noch sehr junge Teenager verkörpert die Seele, das Lebensgefühl einer Umgebung, in der Geld allein noch nicht die Welt regiert und in der Menschlichkeit allgegenwärtig ist. Man feiert zusammen, man streitet sich, man verträgt sich – und man hilft sich untereinander. Unter anderem wird dies deutlich, als Beppo Straßenkehrer bei der Restaurantbesitzerin Liliana die erste Mahlzeit für Momo bezahlen will. „Ach Beppo“, lacht Liliana, „von dir nehme ich doch kein Geld an!“. Für die anderen Kinder rund um das Amphiteater lassen Momos Spielideen Traumwelten lebendig werden. Der Wind in den Segeln eines imaginären Schiffes und das der neue Horizont werden nur durch ihre Mitwirkung am Spiel ein „echtes“ Erlebnis. Fehlt Momo, fehlt den anderen Kindern auch die Freude, die Harmonie, die Fantasie.
Doch nicht nur Menschen „sprechen“ zu Momo – sie nimmt mit ihrer fast übersinnlichen Intuition auch die Signale von Tieren wahr. Dies wird deutlich, als Frau Daria Momos Rat ersucht, da ihr Kanarienvogel nicht mehr singt. „Das ist ein Wunder… du siehst ihn nur an … und er singt wieder!“, staunt diese hinterher. Momo lächelt und antwortet: „Ich glaube, man muss ihm auch dann zuhören, wenn er nicht singt!“. Kein Wunder also, dass ausgerechnet sie als potenzielle Gegnerin bald ins Visier der „grauen Herren“ gerät, die die Lebenszeit aller Menschen und damit die Weltherrschaft an sich reißen wollen.
Eiskalt berechnet – die „grauen Herren“
Aber wer sind eigentlich diese seltsamen „grauen Herren“ und was hat es mit deren ominöser „Zeitsparkasse“ auf sich? Auf den ersten Blick wirken diese Zeitgenossen harmlos, nur eben ein wenig grau im Gesicht und wie notorische Kettenraucher in grauen Anzügen. Kommen sie jemandem aber zu nah, wie im Fall des Gastwirts Fusi, zeigt sich ihr wahres Gesicht. Denn wo immer sie sich aufhalten, erfüllt eine unangenehme Kälte den Raum und vernebelt dem Gegenüber zusammen mit dem ständigen Zigarrenqualm die Sinne. Die grauen Herren können übrigens – einem Hochleistungsprozessor ähnlich – überirdisch präzise rechnen. Vor allem, wenn es um Zeit und als Vermögen geht.
Innerhalb weniger Minuten rechnet einer dieser Männer in Grau Herrn Fusi vor, wie viele Tage, Stunden, Minuten und Sekunden er in seinem Leben bisher für „nutzlose“ Dinge verschwendet hätte. Zum Beispiel, um Freundschaften zu pflegen, abends über den vergangenen Tag nachzudenken, zu schlafen oder um Mahlzeiten bewusst zu genießen. Also all die Dinge, die man heute als „Work-Life-Balance“ bezeichnen würde. Damit habe er seine gesamte Lebenszeit von 42 Jahren im Grunde schon verbraucht – ob er nicht langsam mal mit dem Sparen beginnen wolle? Herr Fusi, unter mehreren Decken bibbernd, wird von diesen Zahlen und der Bewusstmachung eines absehbaren Lebensendes überwältigt. Daraufhin willigt er in einen Vertrag mit der „Zeitsparkasse“ ein, der ihm einen Großteil seines als Freizeit genossenen Lebens wieder nimmt. Oder, wie Benjamin Franklin zur produktiven Zeitnutzung schon sagte und der Mann in Grau noch einmal wiederholt: „Zeit ist Geld, Herr Fusi!“.
Die „grauen Herren“ sind Erscheinungen in den Köpfen der Menschen und lösen sich nach ihrem Besuch wie Geister in Luft auf. Das macht sie aber nicht weniger gefährlich, im Gegenteil. Denn je mehr Menschen scheinbar aus eigenem Antrieb heraus nun ihre Lebenszeit einsparen und zu Geld machen wollen, desto mehr vereinzeln sie sich, verlieren ihre Lebensfreude und zunehmend auch die Solidarität mit ihrem Umfeld. Der Zeitgeist der Herzlichkeit und Freundschaft räumt seinen Platz für eine „kalte“ und komplett ruhelose neue Art zu handeln, zu reden und zu denken. Dabei nehmen die „grauen Herren“ das Sprichwort „Carpe Diem!“ durchaus sehr ernst, wenngleich sie es abwandeln. Sie nutzen wirklich jede Sekunde, die die Menschen ihnen über ihre Zeitkonten überweisen – jedoch, um diese Zeit in Form von Stundenblumen einzufrieren, einzutrocknen und als Zigarrentabak zu „verbrennen“. Faktisch gesehen ist das mindestens Betrug in Verbindung mit organisiertem Verbrechen.
Diese Schattenkreaturen leben im Untergrund, ohne wirklich feste Körper, ohne Gefühle und körperliche Bedürfnisse. Sie lassen gestohlene, „tote“ Stundenblumen in Rauch aufgehen, weil sie nur dadurch existieren können. Als menschenähnliche Illusionen jagen sie den Menschen ihre Lebenszeit ab, um sie zu sammeln und die Weltherrschaft in ihrem ewigen Konflikt mit Meister Hora, dem Verwalter aller menschlichen Zeit und Wächter über die Stundenblumen, zu erringen. Die Männer in Grau tragen keine Namen, sondern Agentennummern. Überhaupt wirkt ihr Rechenzentrum wie das gigantische Großraumbüro eines militärischen Geheimdienstes, der unablässig Daten sammelt und verarbeitet. Eine Existenz ohne Bindungen, ohne Gefühle, ohne eigene Identität, ohne Selbstbestimmung. Von Leben kann man hier kaum sprechen.
Momos Unbestechlichkeit und die ungebrochene Lebensfreude vieler Kinder im Viertel werden so zu einem Problem höchster Priorität, wenn sie ihr exakt kalkuliertes Ziel erreichen wollen. Oder wie der Vorsitzende der „grauen Herren“ sagt: „Meine Herren, Kinder sind unsere Feinde!“ Doch auch diese albtraumhaften Gestalten haben sind verwundbar – sie sind getrieben von der Angst, dass ihre nächste Zigarre ausgeht und sie sich dann in ein Nichts auflösen. Und sie fürchten sich davor, selbst an ihre Endlichkeit und Abhängigkeit von der Zeit erinnert zu werden.
Einige persönliche Schlüsselmomente
Im Folgenden möchte ich einige Zitate und Schlüsselmomente im Film erwähnen, die mich zum Nachdenken bewogen haben.
„Hat dich denn keiner lieb?“, fragt Momo mitfühlend den Agenten, der sie mit massenhaft Spielzeug und Konsumgütern von ihren Freunden ablenken wollte. Der „graue Herr“, der zum ersten Mal eine Ahnung von Menschlichkeit und Gefühlen bekommt, bricht daraufhin zusammen und erzählt ihr ungewollt von den Plänen, die seinesgleichen verfolgt. Hierfür wird er vor dem Gericht der Grauen Herren zum sofortigen Verlust all seiner gesammelten Zeit verurteilt. Alle Rufe nach Gnade, Mitleid und Erbarmen verhallen im Nichts, denn „Wir sind kein menschliches Gericht!“.
Ein wichtiger Ratschlag von Beppo Straßenkehrer, wie Momo schwierige Aufgaben meistern kann: „Stell’ dir eine lange Straße vor. Du denkst, sie endet niemals. Du bekommst es mit der Angst zu tun… Dann beeilst du dich, die Straße wird vor deinen Augen nicht kürzer und du bist ganz aus der Puste. Wenn du einen langen Weg vor dir hast, mache immer nur den nächsten Schritt. Atemzug, Schritt, Besenstrich. Dann machst du deine Arbeit gut, dann macht es Freude. Du merkst gar nicht, wie der Weg endet und bist nicht aus der Puste.“
„Bist du der Tod?“, fragt Momo neugierig Meister Hora, nachdem Cassiopeia sie zum ersten Mal zu jenem ins Nirdendhaus geführt hat. Meister Hora lacht: „Wenn die Menschen wüssten, was der Tod ist, dann würden sie ihn nicht fürchten. Aber Menschen folgen lieber denen, die ihnen Angst machen“.
Nachdem Momo die Tür zu den Blütenvorräten der „grauen Herren“ mit ihrer Stundenblume verschlossen hat, streiten sich die letzten verbliebenen Herren panisch um die letzten Zigarren. Der Allerletzte von ihnen hockt sich vor Momo hin und bittet sie, ihm die Blume zu geben. Dabei verliert er seine Zigarre und Momo sieht ihn aus freundlichen braunen Augen an. „Es … ist gut. Es ist vorbei“, sagt der letzte Graue beinahe erleichtert, bevor er sich in Luft auflöst. Ein Moment der Erkenntnis vielleicht, wie sinnlos und ermüdend eine Existenz ist, die sich nur um Schnelligkeit, Macht und Gier dreht.
Die große Zeitverschiebung
Zeit ist seit jeher ein Phänomen, das die Menschen beschäftigt. Sie ist im Grunde nicht fassbar, nicht messbar und auch nicht als Besitz verfügbar, wie es der Soziologe Hartmut Rosa im Interview mit dem Fernsehsender arte beschreibt. Tatsächlich fasst diese Dokumentation viele Kernpunkte von Michael Endes Kinderbuchverfilmung auf einer theoretischen Ebene zusammen. Dazu gehören der menschliche Wunsch nach absoluter Kontrolle über das eigene Leben und die Umgebung, die ständige Angst vor dem sozialen Abstieg oder dem Tod, eine ständige Beschleunigung des menschlichen Lebens, die Illusion der Verfügbarkeit unserer Welt und daraus folgend eine stets verschobene Wahrnehmung von Zeit. Rosa bezeichnet diese Verzerrung und Verunsicherung als „zeitliche Desynchronisation“, die unter anderem auch durch einen gestörten Bezug zur direkten Lebensumgebung, also ein Fehlen von „Resonanz“ entsteht.
Es ist genau diese Desynchronisation und Verunsicherung, die alle „Zeitsparer“ in Momos Heimatstadt einen großen Teil ihrer Lebensfreude kostet. Solange, bis die „grauen Herren“ sich in das Nichts aufgelöst haben, das sie ohne die gestohlene Zeit immer gewesen wären. Endlich finden am Ende Momos Freunde alle wieder „zu sich“ und zueinander und erkennen, dass vieles, was uns als absolut „notwendig“ und verlockend angepriesen wird, im Grunde Schall und Rauch ist, wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen und genießen können.
„Und sonst so?“ - Setting, Cast und FSK
Die „Momo“-Verfilmung (1986) unter der Regie von Johannes Schaaf lebt von der eindrucksvollen, lebensechten Kulisse, der tiefsinnigen wie abwechslungsreichen Story und natürlich von der Schauspielleistung der Darsteller. Und die Liste der mitwirkenden Schauspielerinnen und Schauspieler enthält durchaus einige bekannte Namen – beispielsweise Mario Adorf als Nicola, Armin Müller-Stahl als Vorsitzender der Grauen Herren und John Huston als Meister Hora. Momo selbst wird von Radost Bokel verkörpert, auch bekannt aus dem Film „Walhalla“. Doch egal, welche Rolle gerade im Einsatz ist - die Gesamtbesetzung ergibt ein stimmiges, authentisches Ganzes. Oder, anders gesagt: Es gibt im Grunde keine Rolle, die man den Schauspielern nicht richtig „abnimmt“. Gerade bei einer so abstrakten Rolle wie der eines Meisters Hora oder eines Grauen Herren erfordert das Hineinfühlen in den Charakter oftmals eine besondere Schauspielleistung.
Eine kleine Überraschung für alle Fans des Autors Michael Ende gibt es übrigens am Anfang und am Ende des Films. Denn er tritt als Geschichtenerzähler in einem Zug persönlich in der Verfilmung auf. Vom Setting her fokussiert sich der Regisseur hier originalgetreu auf Schauplätze in und um Rom. Einzig die Niemandsgasse mit dem Nirgendhaus und die unheimliche unterirdische Schaltzentrale der Grauen Herren scheinen aus Raum und Zeit auszubrechen. Ein Eindruck, der sicherlich beabsichtigt ist, wenn man bedenkt, dass sich in diesen beiden Szenarien der ewige Kampf um die Lebenszeit der Menschheit abspielt. Momo und die Schildkröte Cassiopeia sind hierbei die einzigen Wesen, die sich durch diese (Alb-)Traumwelten bewegen können und diese auch vollständig verstehen.
Ein etwas strittiger Punkt ist in meinen Augen einmal mehr die FSK-Angabe „ab 6 Jahren“. Zweifelsohne erfüllt der Film alle „FSK 6“-Vorgaben in Bezug auf Gewalt- und Sexszenen, denn beides kommt schlicht nicht vor. Dennoch gehört „Momo“ nicht zu den Filmen, die ich meiner sechsjährigen Tochter ohne mein Beisein vorspielen würde. Warum nicht? Obwohl der Film voller liebenswerter (und erfrischend „alltäglicher“) Charaktere ist, gibt es durchaus Szenen, die selbst für mich mit etwa 30 Jahren mehr „auf dem Buckel“. So haben Graue Herren, die mit zischender Stimme ihre Pläne ausplaudern, ein Dutzend schwarzer Autos, die ein Mädchen umringen und Puppen, die mit einer mechanischen Blechstimme im Dienste des Kapitalismus „mehr Sachen“ fordern, für manch besonders sensibles und empathisches Kind durchaus Albtraumpotenzial. Es würde mich demnach nicht wundern, wenn mich meine eigene Tochter nachts panisch wecken würde mit den Worten: „Mama, da steht ein grauer Mann mit Zigarre an meinem Bett!“. Weiterhin ist die Storyline noch recht komplex und benötigt sicher die Erklärung eines Erwachsenen oder zumindest eines älteren Geschwisterkindes.
Meister Horas „Messages to go“
A propos „Besuch in Grau“ … Manchmal kommt auch bei mir ein Grauer Herr vorbei. Einfach so, ohne sich anzumelden. Meist taucht er auf, wenn ich gerade unseren Katzen ein paar extra Streicheleinheiten schenke. Wenn ich nach einer Stunde endlich die Jüngste in den Schlaf begleitet habe. Oder wenn ich Filmrezensionen wie diese schreibe, die wahrscheinlich nicht allzu viele Menschen lesen werden. Einfach, weil ich keine bekannte Hausnummer in der Autorenwelt bin. Auch wenn mir zweifelsohne ein bestimmtes geordnetes Zeitmanagement im Alltag sehr wichtig und auch notwendig erscheint, wirken diese Zeitgenossen auf mich doch ein wenig zu gehetzt und überreizt.
Insofern ich mich gerade in Küchennähe befinde, biete ich meinem Gegenüber dann gern eine Tasse Kaffee und ein paar Kekse an. Denn in der Tat sind philosophische Gespräche über die Zeit sehr interessant. Leider wird mein Angebot „aus Zeitgründen“ dann gern abgelehnt. Wirklich schade. „Sie haben gerade eben … Kennen Sie eigentlich Ihren Kontostand bei Ihrer Lebenszeit? Wäre es nicht wichtig, endlich ein Zeitsparkonto einzurichten?“, fragt mich der Graue Herr dann stattdessen und will dazu ansetzen, meinen Glastisch mit gigantischen Zahlenkolonnen in Rot zu dekorieren. Was ich ehrlich gesagt furchtbar unhöflich finde. Ich lasse ihn also nicht weiter zu Wort kommen und nehme mir Momo bei meinen Rückfragen zum Vorbild.
„Wie fühlt es sich an, wenn man ständig so unter Strom steht … ohne Freunde, ohne echte Gefühle und Tätigkeiten, die einem Freude machen?“ - „Haben Sie eigentlich schon einmal über einen Jobwechsel nachgedacht, wo Sie nicht ständig der Zeit hinterherrennen müssen? Ist das nicht furchtbar undankbar, langweilig, frustrierend und ermüdend?“ - „Kann man als Grauer Herr eigentlich ein Burnout bekommen und … wo ich gerade die Zigarre sehe … Könnten Sie die im Haus bitte ausmachen? Wir sind schließlich ein Nichtraucherhaushalt und Gäste dürfen nur auf dem Balkon und im Garten rauchen!“. Für einen Moment steht dann die Zeit still, denn der Graue Herr ist irritiert genug, um über meine Worte nachdenken zu müssen. Und sich dann fluchtartig davonzumachen. Mancher hat auch schon vor lauter Verwirrung seine Zigarre verloren und sich einfach so in Rauch aufgelöst. Zum Glück machen Illusionen von Zigarren keine echten Brandflecken auf den Teppich – das wäre wirklich ein ärgerlicher Versicherungsfall. Mancher hat bei den „falschen“ Fragen (aus seiner Sicht) sogar schon freiwillig seine Zigarre im Aschenbecher ausgedrückt, nachdem er seine innere Leere erkannt hat.
Mein Fazit zu „Momo“: Ein Familienfilm, der auch nach mehr als 30 Jahren immer noch sehenswert ist. Spannend, herzerwärmend, mit Gänsehautfaktor und an vielen Stellen lehrreich. Auch, wenn die Grauen Herren den bewussten Konsum von allem, was die Fantasie fördert, rigoros ablehnen … Viele Filme sind dennoch eine wirklich lohnenswerte „Zeitverschwendung“. Und für diesen Filmklassiker lohnt es sich definitiv, etwa eineinhalb Stunden seiner Lebenszeit zu investieren.
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