Neu aufflammende Liebe, leidenschaftliche Küsse und Romantik am knisternden Kamin- so stellt sich Hollywood offenbar das Leben mit einem Holzofen vor. Doch ebenso wie Beziehungen selbst erfordert auch das Projekt „warme Bude bei Minustemperaturen“ vor allem sehr viel Einsatz, Zeit und finanzielle Ausgaben.
„Ihr habt einen Kaminofen? Das ist ja sooooo romantisch!“ Leuten, die mir in Bezug auf unsere beiden wasserführenden Kaminöfen mit Adjektiven wie „romantisch“, „gemütlich“ und „einfach“ kommen, antworte ich inzwischen mit einem knappen Schmunzeln oder gar nicht mehr. Oder mit der freundlichen Gegenfrage, ob sie denn schon einen ganzen Winter lang den Kamin wirklich rund um die Uhr als Heizungsunterstützung verwendet haben. Oder sollte man sagen: als fast vollständigen Heizungsersatz für eine gesamte Etage? Denn bedenkt man alle Arbeitsschritte, die mit dem Betreiben, Pflegen und „Füttern“ eines Kaminofens auf einen zukommen, bleibt von der Romantik der Hollwood-Filme nichts mehr übrig.
Gestatten, mein Name ist Cat und ich bin hier eine der „Chefheizerinnen“ im Haus. Das bedeutet: Ich sorge tagsüber neben der Arbeit im Homeoffice und einigen anderen anfallenden Aufgaben dafür, dass die Bude nicht auskühlt und wir trotzdem auf so wenig Gas wie möglich zugreifen müssen. Von 16:00 bis in die frühen Nachtstunden übernimmt dann meist mein Mann den „Ofendienst“, um 23:00 lege ich dann noch ein paar Briketts nach. Damit keiner morgens in ein kaltes Wohnzimmer kommen muss. Im nächsten Winter werden wir wahrscheinlich unsere Solarthermieanlage fertig haben, aber momentan ist die Kombination „zwei Kamine + ein wenig Heizung" noch gelebte Realität.
Die Aufgaben eines Ofens im Reality-Check
Historisch gesehen war die Feuerstelle schon immer ein Ort der Begegnung, der Erzählungen und des gemeinschaftlichen Austausches. Das ist in der menschlichen Evolution so angelegt, seit Menschen das Feuer entdeckten, um im Winter in ihren Höhlen nicht zu Eisstatuen zu gefrieren. Oder auch, um nicht von hungrigen Raubtieren oder anderen natürlichen Feinden angegriffen zu werden. Feuer hat also sehr viele praktische Einsatzbereiche und kulturelle Bedeutungen. Ja, durchaus auch die Symbolik der romantischen Liebe, des „brennenden Herzens“. Interessanterweise ist diese aber vergleichsweise unwichtig, wenn man die überlebenswichtigen Funktionen eines Feuers betrachtet. Nämlich Nahrungszubereitung, Eigenschutz, Herstellung von Gebrauchsgegenständen, Treffpunkt, um lebensnotwendige Informationen auszutauschen, natürlicher Frostschutz … Die Liste ließe sich erweitern, aber man sieht eines ganz deutlich: Das Bild eines frisch verliebten Pärchens, das sich gegenseitig mit einem Glas Wein am Kamin anschmachtet, kommt praktisch betrachtet ziemlich zuletzt auf.
Einen Ofen zu betreiben bedeutete schon immer eine Menge Arbeit. Zwar fallen heute dank industrieller Prozesse viele einst notwendige Funktionen von Feuerstellen weg, eines muss so ein Ofen aber immer noch: heizen. Als mein Mann und ich vor drei Jahren mit der kompletten Renovierung eines dreistöckigen Hauses begannen, waren wir uns einig, die fossile Energieversorgung langfristig einzuschränken. Also entwickelte er ein aufwendiges Solarthermiesystem mit Kollektoren und Photovoltaik auf dem Dach, Solarstromleitungen, Hausakkus, drei Speichern für die Wassererwärmung und wasserführenden Öfen, die sich mit dem Heizungssystem verbinden lassen. Nach eineinhalb Jahren waren wir so weit, dass wir mit inzwischen zwei Kindern in das renovierte Haus umziehen konnten, die letzten Arbeitsschritte für die Solarthermieanlage liegen allerdings noch vor uns. Immerhin muss mein Mann dies auch neben einen Job und zwei Kindern abwickeln, da brauchen Dinge ihre Zeit.
Feuerstellen hatten übrigens schon während der „heißen Phase“ der Renovierung eine zentrale Funktion. All unsere Helfer erinnern sich noch heute mit einem Schmunzeln an den „DSDS-Jury-Tisch“ an der Feuerschale draußen im November. Mit dampfender Suppe, heißem Kaffee und in meinem Fall mit einem Baby im Bauch, das am liebsten mit einem Schraubenschlüssel in der Hand zur Welt gekommen wäre. Sobald die umgebaute Heizung mit neuer Gastherme lief, konnten wir dann auch bei Minustemperaturen wieder zum Essen in die Innenräume umziehen.
“Heat it up!“ – eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
1. Schaffe eine Basis!
Wer einen oder mehrere Öfen (allein oder als Unterstützung des Heizungssystems) betreiben möchte, braucht dafür erst einmal den Ofen und eine Menge Zubehör. Passende Abzugs- und Belüftungsrohre, die geschickt platziert werden wollen, eine Menge Einzelkomponenten, Werkzeug, um Wände zu durchbohren und Material, um diese wieder abzudichten. Der Ofen ist schließlich ein ziemlich dicker Brocken, wenn man ihn mit mehreren Leuten einen Hang hinauftragen muss. Spoiler: Wir brauchten mindestens drei Männer dafür. Pro Ofen. Die Verbindungen zum Schornstein und Rohrzugänge existierten zum Glück schon, da schon vorher im Haus einmal Öfen gestanden hatten. Diese mussten „nur“ angepasst werden. Alles Material da? Fein, dann kann es ja mit dem Aufbauen und Testen losgehen!
2. Überprüfe wirklich alles auf Undichtigkeiten!
Bevor man einen Ofen auf die Erwärmung von Räumen loslässt, muss man natürlich ausgiebig testen, ob der Kollege (unserer auf der mittleren Etage heißt „Justus“) auch ganz dicht ist. Ansonsten kann es zu bösen Folgen wie Rauchentwicklung. Brandgefahr oder das Explosionen kommen. Klingt alles nicht ganz gesund – ist es auch nicht. Also: Mind the safety gaps! Drucktests, eine Überprüfung (und weitere Abdichtung) von Rohrübergängen im laufenden Betrieb und natürlich die regelmäßige Abnahme des Zustands durch den Schornsteinfeger sind hier obligatorisch. Wer regelmäßig einen Ofen betreibt, sollte außerdem nicht an Messgeräten für die Luftqualität, Kohlenmonoxid-Meldern und Rauchmeldern sparen. Diese können im schlimmsten Fall Leben retten.
3. Sorge für genügend Holznachschub!
Erst im Dauerbetrieb realisiert man oft, wie „hungrig“ ein Ofen sein kann. Das ständige Heranschaffen, Zerkleinern und Lagern von Holz ist also unerlässlich, um zumindest teilweise auf die Gasheizung zu verzichten. Wir hatten mit der Lagerung von unbehandeltem Bauholz schon in den Jahren zuvor begonnen, im Herbst und Winter brauchten wir aber immer wieder günstige, zuverlässige Quellen. Während Freunde und Verwandte an Adventssamstagen gemütlich über Weihnachtsmärkte bummelten, lautete unser Motto: Kettensägenkommando! Also Arbeitsklamotte an, Kinder warm einpacken (oder alternativ zu Oma und Opa bringen), Anhänger am Auto anbringen und auf zur nächsten Baustelle, um kostenlos oder für einen kleinen Aufpreis Holz „abzugrasen“. Und in staubigen, abgewetzten Jacken und Jeans vom Bau rein in die „Köttke“ (lippisch für: „Matsch, Dreck“) – auch bei Minustemperaturen. Zersägen, zerkleinern, einladen, zu Hause an einem anderen Tag wieder ausladen, etwas trocknen lassen, rein in den Ofen. Wenn die Motivation sinkt, hin und wieder bescheuerte Lieder singen wie, ähm … das hier …
Welchen Stellenwert Holz für uns im vergangenen Winter hatte, bezeugen auch die Weihnachtsgeschenke meines Mannes an mich. Ein Paar Feuerhandschuhe, welches schon wieder an einigen Stellen kaputt ist, ein T-Shirt und eine Tasse, beides mit der Aufschrift „Ich und mein Holz“. Nicht romantisch, dafür aber besonders praktisch – wie vieles, das unseren Alltag bestimmt. Auch Beziehungen bestehen eben nicht immer aus Sternstunden und sind etwas, woran es eifrig zu basteln, zu schrauben und zu werkeln gilt. Es hat durchaus Gründe, dass Disney-Filme ebenso wie Märchen so oft mit einer Hochzeit als „Happy End“ abschließen. Was danach kommt? Interessiert den romantischen Zuschauer nicht. Vermutlich würde die Realität hier auch ziemlich viele Luftschlösser zerplatzen lassen. Gemäß einem Spruch von meiner Oma: „Vor der Ehe kriegst du Rosen, in der Ehe flickst du Hosen. Also Mädchen, sei so schlau, werde niemals Ehefrau!“. Natürlich mit einem Zwinkern gesprochen – denn meine Oma liebte ihren Mann über alles und hat mit ihm sogar jahrelang eine Krebserkrankung bekämpft.
Dornröschen, die nach der Geburt des ersten Kindes so gar keinen Schlaf mehr bekommt, hat vermutlich genug für mehrere Jahre mit kleinen Kindern „vorgeschlafen“. Cinderella macht der ganze Terminstress und Papierkram als Königin hoffentlich nichts aus – schließlich kennt sie es aus dem Haus ihrer Stiefmutter bedeutend schlimmer mit dem Arbeitsaufkommen. Und ob Elsa und Kristoff aus „Frozen“ bei Schneewittchen & Co nicht doch ein wenig Recht haben mit dem Credo: „Man heiratet niemanden, den man kaum kennt“? Nun – wie sich Märchenfiguren im Alltag verhalten, dazu darf sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Und manche bekommen gar keine Gelegenheit, irgendetwas zu ändern – wie die Hexe in „Hänsel und Gretel“, die zuletzt ihren eigenen Ofen von innen kennenlernt. Damit nach einem kleinen Exkurs zurück zum Mythos „Romantik am Kamin“. Hat man das Holz, war’s das nämlich noch lange nicht.
4. Kümmere dich um deinen Ofen!
Wer den Kamin nur hin und wieder benutzt, kommt um ständige Fege- und Säuberungsaktionen herum. Im Dauereinsatz wirbelt er jedoch ziemlich viel Asche und Staub auf. Den Umweltaspekt lasse ich besser außen vor, nur so viel: Sobald wir uns auf Solarenergie verlassen können, werden wir das tun. Die tägliche Wartung eines Kaminofens im Dauerbetrieb umfasst folgendes: Ausfegen, Nägel und Fremdkörper entfernen, Aschekasten entleeren, Aschekastenfach ausfegen, wieder einsetzen, Asche außen wegsaugen (oder wegwischen) … Feuer neu anfachen, und dann nachlegen. Spätestens alle zwei Stunden, meistens sogar jede Stunde. Öfen brauchen Pflege und Einsatz, sonst werden sie zickig. Auch hier haben sie offenbar etwas mit zwischenmenschlichen Beziehungen gemein. Nicht nur die richtigen Routinen sind wichtig, sondern man muss auch regelmäßig mit stärkeren „Wetterumschwüngen“ umgehen. Mal lässt sich das Feuer einfach anfachen, bei Sturm oder Regen schwieriger oder zeitweise gar nicht.
Kaminfeuer und Beziehungen: Arbeit, die sich lohnt
Nachdem ich durch meinen „Reality-Check“ wahrscheinlich jede romantische Illusion vom knisternden Kaminfeuer in Asche und Rauch verwandelt habe, doch noch ein versöhnliches Schlusswort. Sind Kaminöfen und Beziehungen immer märchenhaft? Ganz sicher nicht. Überrascht mich das? Kein bisschen! Enttäuscht es mich, dass der Familienalltag wenig Raum für spontane Romantik lässt? Manchmal, wobei ich nach Jahren unter Bauarbeitern fast schon vergessen habe, wie ich „Romantik“ überhaupt für mich definieren soll. Immerhin ist dies ja auch ursprünglich ein Kunstbegriff der Literatur- und Kulturgeschichte.
Wie die meisten Erwachsenen auf dieser Welt habe ich gelernt, dass es „ohne Fleiß keinen Preis“ gibt und das Leben eben „kein Ponyhof“ ist. Selbst wenn – auch ein Ponyhof macht verdammt viel Arbeit. Ein weiterer Spruch, der gut in diese Kategorie passt, ist: „Wir sind hier nicht bei Wünsch dir was, sondern bei So isses!“. Und so versuchen wir – als Individuen, als Paar und als Familie – die kleinen Lichtmomente aufzufangen und uns an ihnen zu erfreuen, wenn der nächste Sturm unser Leben wieder durcheinanderwirbelt. Ganz hin und wieder sitzen wir dann auch in Jogginghosen auf dem Sofa vor dem Kamin, lauschen dem Knacken und Knistern, schauen unsäglich kitschige Familienfilme. Nebenbei sind wir natürlich dankbar, dass „Justus“ und sein heißer Kollege in der unteren Etage, der nur bei Übernachtungsbesuch arbeiten muss, uns eine astronomisch hohe Gasrechnung ersparen. In diesem Sinne: Keep the spark glowing! Und nun entschuldigt mich bitte – ich muss mal ein Brikett nachlegen, sonst ist hier gleich der Ofen aus.
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