Die Bilder aus dem Musikvideo "Irrelevant" von P!NK könnten den Nerv dieser turbulenten Zeit nicht besser treffen. Während in manchen Teilen der Welt Frauenrechte massiv eingeschränkt werden, findet in anderen eine reine Hexenjagd gegen Menschen aus dem LGBTQ-Spektrum statt. Auch rechte Bewegungen gewinnen wieder an Aufwind. Ein musikalisches Plädoyer für eine bunte Welt.
„Mein Körper – meine Entscheidung!“
Ein Spruch auf Plakaten auf Frauendemos, die das Recht auf legale Abtreibung in konservativ geführten USA-Bundesstaaten fordern. Gemeinsame Aufmärsche hell- und dunkelhäutiger Menschen gegen die Apartheid. Bilder vom „Christopher Street Day“. Frauenrechtlerinnen auf der Straße. Proteste für ein strengeres Waffenrecht in den USA nach Amokläufen an Schulen. Anti-Kriegs-Demos. Auch die Kopftuchverbrennungen im Iran würden perfekt in diese logische Reihe passen. „Now it’s a real parade, we’re all welcome now. As long as you feel afraid, that is it’s about” – es geht um den Zusammenhalt im Kampf gegen Diskriminierung auf allen Ebenen der Gesellschaft. Um das gemeinsame Einstehen für Vielfalt und Gewaltfreiheit, ethnisch, körperlich und sexuell. Um die Forderung nach Gleichberechtigung und freien Entscheidungen und den Widerstand gegen Gewalt, die vielen Menschen Angst macht. So weit, so gut – aber was haben all diese politischen Botschaften mit „Health at Every Size“ zu tun?
„Health at Every Size“ steht für Selbstbestimmung
HAES wird auf den ersten Blick irrtümlich oft als eine „dünnenfeindliche“ Bewegung wahrgenommen – dabei wäre die schlanke, selbstbewusste P!NK sogar die perfekte Botschafterin der Bewegung. Denn sie spricht in ihrem Song zwei sehr wichtige Grundsäulen an: Intersektionalität und den Körper als politischen Faktor. Inter …. Was? Zugegeben, der soziologische Fachterminus für eine einfache oder mehrfache Überschneidung von Diskriminierungsgrundlagen klingt ziemlich kompliziert. Eigentlich ist die Kiste aber ganz einfach zu erklären. Wenn zum Beispiel ein rassistisch geprägter Mensch zugleich übergewichtige Menschen hasst, wird er innerlich eine dunkelhäutige Afroamerikanerin mit ausgeprägten Rundungen in seinen Gedanken anspucken oder gar öffentlich beleidigen. Hat er zugleich eine Abneigung gegen Menschen, die aus Armutsgründen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, wird er eine vermögensschwache, dunkelhäutige, kurvige Afroamerikanerin noch mehr hassen als eine, die ein hohes Einkommen bezieht und sich mit Statussymbolen wie Markenkleidung schmücken kann.
Ein weiteres Beispiel wäre ein Mensch mit rassistischen und sehr „maskulinen“ Weltanschauungen, der den weißen, militaristischen Hetero-Mann als Ideal betrachtet. Trifft dieser auf einen homosexuellen Transgender-Mann mit südamerikanischen oder asiatischen Wurzeln, wird er diesen niemals als „gleichwertig“ ansehen und diesen beleidigen oder gar angreifen. HAES schließt, wie bereits in der Zusammenfassung erläutert, diverse Formen der Diskriminierung aufgrund körperlicher und weltanschaulicher Merkmale mit ein. Kopftuch oder nicht? Rollstuhlfahrer oder „lauffähig“? „XXL“ oder „XXS“? All dies können gängige Gründe für eine persönliche oder systematische Diskriminierung sein.
Der Körper selbst, was wir mit ihm „anstellen“ (z.B. ob wir eine Abtreibung vornehmen lassen oder nicht oder uns „umoperieren“ lassen, ihm Muskelmasse antrainieren oder eher Fett ansetzen) ist demnach hochpolitisch. Dies gilt für jegliche Geschlechter, Ethnien, Kleidungsstile und „Formen“. Wer kennt nicht die Diskussion über Dresscodes in der Schule, damit Schülerinnen nicht ihre männlichen Mitschüler und Lehrer „ablenken“? Meines Erachtens gehören zum „Provozieren“ immer zwei – eine Person, die absichtlich oder unabsichtlich die Aufmerksamkeit auf sich lenkt und eine, die dich davon beeindrucken lässt oder eben nicht. Sollten gerade Lehrkräfte nicht genug Professionalität besitzen, um über ein paar BH-Träger oder ein nacktes Bein in Shorts hinwegzusehen? Und sollte es nicht jeder Person selbst überlassen werden, ob sie einen Hijab tragen möchte oder nicht, das gleiche oder ein anderes Geschlecht liebt, leidenschaftlich Sport treibt oder sich eben auch einen „weicheren“ Körper durchs Leben bewegt?
Menschen sind verschieden - na und?
Wir Menschen haben drei bemerkenswerte psychologische Strategien in uns, um unser Eigen- und Fremdbild aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Erstens haben wir tief verwurzelte, teils extreme Glaubenssätze, um uns und „unsere“ Liebsten von anderen Gruppen abzugrenzen („Hartz 4? Um Gottes Willen, so asozial sind wir nicht! Wir sind doch nicht bei RTL2!“). Zweitens Zweitens relativieren wir oft unbewusst die Gedanken und Beweggründe anderer Menschen, die uns „fremd“ sind, und betrachten sie als „irrelevant“ für unsere innere geistige Welt. Aus diesem Bild, das wir dann unreflektiert von anderen bekommen, formen wir innerlich Klischees und stecken bestimmte Menschen in gedankliche „Schubladen“ („Ach diese Flüchtlinge, die kommen doch nur wegen der Sozialhilfe!“/ „Dicke Menschen sind nur zu faul, um gesund zu essen und sich zu bewegen!“). Wohlgemerkt, es handelt sich hier um einige klassische, geradezu polemische Beispiele, die ausdrücklich NICHT meine Meinung widerspiegeln. Im Gegenteil – ich sehe das mit der Diskriminierung auf allen Ebenen der Gesellschaft eher wie P!NK. Leben und leben lassen und Vielfalt nicht nur akzeptieren, sondern sich über eine „bunte“ Gemeinschaft freuen. Und allen, die das Leben lieber in Schwarz-Weiß sehen, kein Forum und keine Aufmerksamkeit zu geben: „I’ll be your heretic, you F…ing hypocrit. I won’t call on you at all.“
In dem Sinne, liebe Leute ... Egal, wo wir herkommen und wie wir aussehen, machen wir die Welt ein wenig freundlicher und lassen sie in allen Farben und Formen erstrahlen! Habt ihr schon einmal aufgrund religiöser, körperlicher und ethnischer Merkmale Diskriminierung erfahren und wie konntet ihr damit umgehen?
Kunterbunte Grüße
Eure Cat
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