Wenn ich zufällig beim Arzt oder beim Friseur in der „Warteschleife“ hänge, lese ich eine Frauenzeitschrift. Auch mein Facebook-Feed informiert mich hin und wieder über den „After-Baby-Body“ der Stars und Sternchen. Dabei gibt es wirklich kaum etwas Banaleres und Uninteressanteres als die Tatsache, dass sich Körper eben im Lauf des Lebens verändern können. Warum das Konzept „After-Baby-Body“ von Natur aus Bullshit ist – und wie (werdende) Mütter sich vor Selbstzweifeln schützen können.
Wer gerade ein Kind geboren hat oder dabei ist, ein Baby in seinem Körper „lebensfähig“ heranreifen zu lassen, sollte sich normalerweise um Banalitäten wie die Zahl auf der Waage und Dehnungsstreifen keine Gedanken machen müssen. Es geht um die dauerhafte Veränderung mehrerer Lebenswege nach der Geburt, um die Tatsache, überhaupt erst einmal diese Geburt oder einen Kaiserschnitt unbeschadet zu überstehen und im Zusammenleben mit dem Nachwuchs in einen ganz neuen Lebensrhythmus zu finden.
Beauty-Terror vor und nach der Geburt
Die Realität sieht aber für viele (werdende) Mütter ganz anders aus. Schon während der Schwangerschaft werden wir von guten Ratschlägen überschüttet, wie man so „störenden“ Erscheinungen wie Dehnungsstreifen, überschüssigen Kilos oder schlaffen Brüsten vorbeugen kann. Allen voran der Tipp: „Wenn du möglichst lange voll stillst, nimmst du nach der Geburt schneller ab“. Oder die Anleitung zur täglichen Creme-Routine, gepaart mit Ernährungstipps für dauerhaft straffe Haut auch unter Extrembedingungen. Oft wird Schwangeren schon beim ersten Ultraschall dazu geraten, nicht zu viel zuzunehmen. Unter medizinischen Gesichtspunkten (s. Schwangerschaftsdiabetes und daraus folgende Komplikationen) mag dieser Ratschlag in manchen Fällen sinnvoll sein – nur für die „Optik“ sollte man ihn allerdings nicht inflationär verteilen.
Außerdem ist eine Schwangerschaft biologisch betrachtet kein Wunder, aber eine besondere Herausforderung für den Körper auf unterschiedlichen Ebenen. Und niemand kann genau vorhersagen, wie sich die veränderte hormonelle Gesamtsituation auf Gewichtszunahme, die Stärke von Nebenwirkungen (Übelkeit, Sodbrennen, Stimmungsschwankungen usw.) auswirkt. Zudem sind wir überall in den sozialen Medien oder gar im Familien- und Freundeskreis mit diversen „Life-Hacks“ konfrontiert, die ungefiltert an uns weitergetragen werden. Im Klartext: Man wird das Gefühl nicht los, dass jeder und jede andere den eigenen Körper plötzlich angeblich besser kennt als man selbst. Das nervt – und verunsichert diejenigen, die sich ohnehin schwierig abgrenzen können.
Der „After-Baby-Body“ – nur eine Marketing-Erfindung!
„Beach-Body“, „Summer-Body“, „After-Baby-Body“ … Solche Buzzwords, die man häufig in Ratgebern für Frauen liest, können Verwirrung stiften. Denn rein faktisch hat jeder Mensch genau EINEN Körper, von der ersten Zellteilung bis zur letzten Ruhe im Sarg oder in der Urne. Dieser eine Körper, der eine Person von der Wiege bis zur Bahre durchs Leben trägt, ist dabei natürlich auch Veränderungen unterworfen. Er wächst, er schrumpft, er wird mal leichter, mal schwerer, beherbergt neues Leben, befördert diese „Untermieter“ nach neun bis zehn Monaten wieder heraus, wird geschlechtsreif, verliert seine Fruchtbarkeit, altert, erleidet und überlebt Schäden durch Unfälle oder Krankheiten und fällt schließlich, wie alles Materielle, der ständigen Nutzung zum Opfer.
In der Technik würde man dieses Phänomen den „Wear and Tear“-Effekt nennen. Allein innerhalb eines Kalendermonats baut der weibliche Körper ein ganzes Organ um, bereitet sich auf eine Einnistung von Ei- und Samenzellen vor und führt einen kompletten Rückbau durch, wenn kein „Mieter“ in diese organische „Wohnung“ einzieht. Geht man hier von einem hormongesteuerten Vorgang aus, ist dies allein schon eine sehr komplexe Leistung unseres Stoffwechselmanagements. Ist es also ein Wunder, dass hormonelle Prozesse wie dieser (und auch andere, wie während einer Schwangerschaft oder in der Menopause) oftmals starke Beschwerdebilder mit sich bringen und uns schlicht anstrengen? Dass das männliche Steuerungssystem andere Voraussetzungen und Herausforderungen hat, möchte ich an dieser Stelle auch mangels erlebter Erfahrung in einem männlichen Körper gar nicht kleinreden oder gar verneinen.
Mutterschutz und Wochenbett – nicht für mich!
Während meiner beiden Schwangerschaften war ich selbst dazu gezwungen, einwandfrei zu „funktionieren“. Einfach, weil die äußeren Umstände gegen frühzeitige Schonung und ein „faules“ Wochenbett sprachen. Vorab gesagt: Ich hätte es auch nicht anders gewollt, bin einfach nicht der „Typ“ dafür, wochen- bis monatelang um meine eigenen Gefühle und körperlichen Empfindungen zu kreisen. Nicht negativ gemeint natürlich, denn manche Schwangere und Neu-Mutter braucht sicher mehr „Auszeiten“, Erholung, Urlaub und bewusste Körpererfahrung. Und das ist in Ordnung. Ich habe mich nur an die Gegebenheiten angepasst.
In meinem Fall endete mein Volontariat mit dem ersten Mutterschutz und ich verbrachte die gesamte Schwangerschaft in einem Vollzeit-Arbeitsvertrag mit langen Pendelstrecken zu meinem Mann an den Wochenenden. Direkt nach unserer Entlassung aus dem Krankenhaus „durfte“ Feechen (heute sechs Jahre alt) bereits den Rossmann von innen kennenlernen und mein Mann und ich liebten es schon kurz nach der Geburt, rauszugehen und Menschen um uns zu haben. Feechen war damit zufrieden, schlief einfach im Kinderwagen ein, wenn sie müde wurde. Kurz gefasst ist Feechen bis heute ein Kind, das unheimlich gern unterwegs ist. Zu Hause langweilt sie sich oft und ihr fällt schnell „die Decke auf den Kopf“, wenn sie keine Gesellschaft hat. Auch die Vorliebe für Straßenbahnen, Züge und andere Fortbewegungsmittel scheint sie noch aus der Schwangerschaft mitgenommen zu haben.
Kobold, heute zwei Jahre alt, war und ist wiederum ein typisches „Baukind“ und ist erst mit Eintritt in den Kindergarten aus dem „Pandemiemodus“ herausgekommen, in den sie hineingeboren wurde. Während der gesamten Schwangerschaft mit ihr herrschten mehr oder weniger strikte Beschränkungen im sozialen Miteinander – von Ultraschallterminen, die ohne Partner wahrgenommen werden mussten bis hin zum Geburtsvorbereitungskurs, der nur via Zoom stattfand. Aufgrund von Feechens schwieriger Geburt ein paar Jahre zuvor war ich fest entschlossen, auf einem Wunschkaiserschnitt zu bestehen, wenn mein Partner pandemiebedingt NICHT mit in den Kreißsaal durfte.
Doch nicht nur mein Körper „baute“ fleißig einen neuen Menschen – auch wir renovierten bereits seit Monaten mit einigen Helfern ein Haus und bereiteten einen Umzug vor. Und wenn wir von unserer Baustelle an mehreren Tagen in der Woche in unsere Stadtwohnung zurückkehrten, begrüßte uns auch dort wieder Baustellenfeeling. Denn unsere neuen Vermieter befanden sich inmitten einer Kernsanierung der Wohnungen, die bereits leer standen. Zwischen halb gepackten Umzugskisten, Bohrhämmern und Motorsägen, alten Tapeten, laufenden Bewerbungen für einen neuen Job und jeder Menge Baustaub bei einer noch nicht laufenden Heizung im Spätherbst dachte ich während dieser drei Monate gesetzlich verordneten „Mutterschutzes“ oft: „Also, SO hatte ich mir das mit der zweiten Schwangerschaft NICHT vorgestellt!“.
In meiner damaligen Idealvorstellung war ich die Frau, die zum Ende ihrer zweiten Schwangerschaft alles nachholen konnte, was sie in der ersten verpasst hatte. Noch einmal mit dem Mann in den Urlaub fahren, sich verwöhnen lassen, überhaupt … sich oft und achtsam über die eigenen Wünsche, Ängste und Gefühle austauschen … Lokale Babytreffs und Schwangerengruppen besuchen, Wellness im Thermalbad … Nun ja, was soll man sagen: Reality is a bitch. Kobold hatte sich mitten in der Renovierungsphase und während der Corona-Pandemie demnach einen durchaus … interessanten Zeitpunkt ausgesucht, um unser Leben zu bereichern. Immerhin wussten wir so, dass wir definitiv zwei Kinderzimmer brauchen, und konnten unsere Raumplanung im neuen Haus rechtzeitig anpassen.
Mutterschutz und Wochenbett fielen aus – Deadline für die Baustelle lässt grüßen. Und so kam unser Kobold pünktlich zum neuen Jahr 2021 als Neujahrsbaby in Rekordzeit zur Welt –schneller, als die Oma Feechen abholen konnte. Schneller als alle Corona-Formalitäten und die Suche nach der Patientenakte. Und sogar schneller als der Vater, der eigentlich nur eben Feechen an Oma übergeben musste und einige Formulare ausfüllen. Eigentlich waren alle baff von ihrem sportlichen Ehrgeiz – der Arzt, der nicht einmal eine Patientenakte vorgelegt bekam. Die Hebamme, mein Mann, den das Kind schon anschaute, als er das Zimmer betrat. Und nicht zuletzt ich als die Mutter, die immer panische Angst davor gehabt hatte, ohne Schmerzmittel und vor allem ohne Partner ein Kind auf die Welt zu bringen. Nur eine Woche später waren wir wieder auf der Baustelle, das Leben ging normal weiter. Oder eher: Unter Hochdruck, denn Restbauarbeiten und Umzug mussten über die Bühne gehen. Als wir schließlich einzogen, war Kobold drei Monate alt. Und wir waren alle ziemlich aus der Puste von diesem ganzen Schweinsgalopp.
Mütterkörper – auf Leistung getrimmt?
Warum erzähle ich das alles? Weil ich natürlich anderen Frauen die Schwangerschaft, Geburtsvorbereitung und Kennenlernzeit wünsche, die sie brauchen. Was für mich okay und auch irgendwie unvermeidlich war, ist keine Standardschablone für alle Mütter dieser Welt. Dennoch stehen im gesellschaftlichen Konsens alle Zeichen auf Selbstoptimierung – sogar in der verletzlichsten aller Lebensphasen in einem Frauenleben. Und das ist, etwas grob ausgedrückt, ebenso totaler Bullshit. Unter uns gesagt: Ich war selbst oft frustriert, genervt oder traurig. Weil mein Partner durch den Bau selbst zu gestresst war, „um sich auch noch um meine Hormonschwankungen zu kümmern“. Weil mir während der Schwangerschaft und der Zeit kurz danach Vorwürfe und blöde Sprüche nicht erspart blieben, wenn ich Dinge in unserem engen Zeitplan vergeigte oder keine Energie dafür hatte. Der Moment, in dem ich allein zum 3D-Ultraschall musste und diesen nicht einmal abfilmen durfte.
Und natürlich der Standardspruch: „Schwangerschaft ist keine Krankheit!“. Zusammen mit der Ansage, dass die Paarsitzung im virtuellen Geburtsvorbereitungskurs doch eh überflüssig sei („Ich weiß gar nicht, warum du überhaupt nochmal so einen Kurs brauchst. Wir haben doch schon eine Geburt durch!“). Klar ist das ein natürlicher Vorgang – trotzdem, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für spezielle Bedürfnisse wären echt cool gewesen. Schon komisch, selbst eigentlich komplett verletzlich zu sein und dennoch den „Fels in der Brandung“ für den Rest der Familie darzustellen. Immerhin – unsere Bauhelfer verhielten sich echt kollegial dabei. Brachten mir immer wieder einen frischen Kaffee, nahmen mir schwere Sachen ab und gaben mir in schweren Momenten einen kameradschaftlichen Schulterklopfer.
Kurz: Die Katze versuchte – wie so viele andere ihrer Artgenossinnen – schnell wieder auf die Pfoten zu fallen. Und zwar so schnell wie eben möglich, denn die Welt drehte sich weiter und die Aufgaben wurden nicht weniger. Bei einer dritten Schwangerschaft würde ich mir nun wirklich „freundlichere“ Begleitumstände wünschen, aber dazu soll es – tut tut – nicht kommen. Denn der Familienplanungszug ist für uns abgefahren. Aber mal ehrlich – wer zur Hölle braucht bei all den Erwartungen, Aufgaben und Ansprüchen von innen oder außen eigentlich noch „Fitness-Goals“ und „After-Baby-Body-Training“? Bei allem Stress, den man eh schon hat, ist ein straffer und schlanker Körper doch wirklich absolute Nebensache. Ich hätte übrigens sehr gern auch nach der zweiten Schwangerschaft einen Rückbildungskurs im Wasser besucht. Leider fielen dank Pandemiebeschränkungen zu dieser Zeit alle Gruppenkurse ins Wasser und allein oder gar online hatte ich dann doch kein Interesse mehr daran.
Spuren, die das Leben hinterlässt
Wenn ich heute an meinem Körper herunterschaue, entdecke ich viele Spuren, die das Leben und natürlich auch die „neuen Leben“, die er ermöglicht hat, hinterlassen haben. Die Brüste sind größer und schlaffer als früher, dazu noch asymmetrisch. Am Bauch habe ich lose Haut und überschüssiges Gewebe angesammelt, auch als „Fettschürze“ bekannt. Sehr charmant, wenn man bedenkt, dass diese eben durch extreme Überdehnung der Haut und tatsächlich auch durch eine größere Gewichtsabnahme entsteht.
Die Haut an Po und Oberschenkeln ist alles andere als straff, wenngleich ich inzwischen wieder zwei Kleidergrößen weniger als noch vor einem Jahr trage. Nicht, dass Kleidergrößen die Welt bedeuten würden. Im Gegenteil – sie können stark variieren und werden teilweise ziemlich willkürlich festgelegt. Meine Nägel haben sich seit der letzten (Teil-)Stillzeit nicht mehr erholt und brechen immer noch andauernd ab, ebenso wie die Haare, die eh schon immer fein und splissanfällig waren. Außerdem sind Ödeme in den Unterschenkeln und Besenreißer schon seit Ewigkeiten ein Thema bei mir – mal mehr, mal weniger. Je nachdem, wie sich die Hormonlage gerade entwickelt.
Ich würde also lügen, wenn ich meinen Körper nach zwei Schwangerschaften und vielen anderen Veränderungen als „wunderschön“ oder „perfekt“ bezeichnen würde. Aber das macht nichts – denn das muss er ja auch nicht sein. Es ist wie mit einem guten Freund oder einer guten Freundin. Wir mögen unsere Freunde, weil wir gemeinsam durch Dick und Dünn gehen, Feste feiern und Steine aus dem Weg räumen. Doch natürlich sind wir mit ihnen auch nicht immer einer Meinung und alle von ihnen – auch wir selbst – haben Eigenheiten und „Macken“, die den jeweils anderen nerven. In einem Satz zusammengefasst: Nobody is perfect but everybody is unique!
Jeder Körper verdient Respekt!
Die Body-Positivity-Bewegung hat (oft fälschlicherweise) dank Hochglanzwerbung und übertriebener Selbstdarstellung mancher Aktivistinnen im Internet für euch möglicherweise einen schalen Beigeschmack bekommen. Und ehrlich gesagt, ständig zu betonen, man sei „schön“, „sexy“ und einfach „perfekt, wie man ist“ finde ich persönlich sowohl unrealistisch als auch zu anstrengend. Aber wie wäre es für den Anfang mit der ursprünglichen Kernbotschaft der „Health at Every Size“-Community – „Every body is worthy!“? „Jeder Körper ist wertvoll!“ bedeutet letztendlich, dass auch EUER Körper, egal wie er aussieht und in welchem aktuellen „Zustand“ er sich gerade befindet, Respekt verdient. Liebe und Anerkennung für all diese wundervollen Dinge, die er „heimlich“ jeden Tag leistet, um euch durch euer Leben zu tragen, die Welt um euch herum wahrnehmen zu lassen und sowohl euch als auch eure ungeborenen Kinder am Leben zu erhalten.
Nun mal Hand aufs Herz: Sind angesichts dieser beeindruckenden Leistung ein paar Dellen, Dehnungsstreifen und überschüssige Kilos überhaupt noch wichtig? Wenn du deinen Körper nächstes Mal im Spiegel betrachtest, sag ihm doch einmal: „Danke, dass du immer für mich da bist, mein Freund. Du hast deine Macken, aber die machen dich einzigartig. Es ist großartig, was du alles für mich tust, kann ich auch etwas für dich tun?“ Eine ganz neue Perspektive, oder? Wenn du deinen Körper als Freund und nicht als Feind betrachtest, fällt es übrigens viel leichter, ihm mit mehr Bewegung, Vitaminen und „echten“ Nährstoffen einen Gefallen zu tun. Denn jede gute Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Dein Körper wird sich in diesem Leben noch mindestens einmal verändern, also sieh es gelassen und sei dankbar für das, was du hast. Vorausgesetzt, du hast als Mutter überhaupt noch genug Zeit, dir viele Gedanken über dein Äußeres zu machen!
Zum Schluss eine kurze Frage an euch Leserinnen: Was sind oder waren eure körperlichen „Baustellen“ vor und nach der Geburt? Und fällt es euch leicht, euch von ungebetenen Ratschlägen und Schönheitsidealen abzugrenzen?
Ich bin gespannt auf eure Antworten!
Eure Cat
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