Jetzt wird's persönlich im Kaminzimmer meines Gedankenschlosses. Mit meinen "Songs 4 Life", "Rückblenden" und "Momentaufnahmen" nehme ich euch am Kaminfeuer live mit in spezielle, sehr bewegende Momente meines Lebens. Bereit für eine rasante Achterbahnfahrt? Anschnallen, bitte!
Jeder hat ein paar Songs, die einen an etwas Besonderes erinnern. An ein Gefühl vielleicht, ein Ereignis, einen Wendepunkt ... Ein paar davon möchte ich gern mit euch teilen. Ich mache dafür eine kleine "Gedankenreise" etwa 20 Jahre zurück zu meinem "jüngeren Ich".
Ich stehe in der Wohnküche meiner Eltern am Bügelbrett und bügele ein paar Hosen. Eigentlich hasse ich Bügeln, aber Mum muss dringend Klausuren korrigieren. Außerdem habe ich nichts "Besseres" zu tun. Heute Abend gehen viele aus meiner Klasse zu dieser Party in dieser Tanzschule. Ich nicht. Mich hat man nicht mal gefragt, und was soll ich dort, wo ich unerwünscht bin, wo man auf mich herabschaut und mich ignoriert?
Es ist Samstagnachmittag, die Sonne scheint. Vielleicht gehe ich heute zu meiner Freundin aus der "B -Klasse". Vielleicht auch nur mit dem Hund unserer Nachbarn. Denn viele Freunde habe ich nicht. Schon seit Jahren werde ich in meiner Klasse gemobbt - so nennt man das unter Pädagogen zumindest. Man hat versucht, mir einen Diebstahl zu unterstellen. Man hat schlecht über mich geredet, mich bei einem Ausflug allein auf einer Massenveranstaltung stehengelassen und ausgelacht, als ich dann zu spät zurück zum Bus kam. Die Jungs haben mir auf den Kopf gespuckt und mich als "Abschaum" beschimpft. Und die Mädchen tuscheln und kichern ständig, ohne mich am Gespräch teilhaben zu lassen. Wenn die Lehrer dabei sind, tut natürlich jeder so, als wäre nix. Ist ja klar. Nur zwei Lehrer sind nicht darauf hereingefallen.
Seit Jahren versuche ich herauszufinden, wo dieser Hass gegen mich herkommt. Was ich falsch gemacht habe ... und was ich an mir ändern muss, um endlich akzeptiert zu werden. Antworten habe ich nie bekommen. Irgendwann hat jemand das erste Gerücht über mich in die Welt gesetzt und dann ging es abwärts. Zum Glück habe ich nach der Schule meine Vereine und Hobbys, sonst hätte ich mir schon längst irgendwas eingeworfen, um nie wieder aufzuwachen. Und in zwei Wochen sind "Besinnungstage".
Als ob sich meine "Klassenfeinde" und ihre Mitläufer jemals "besinnen" würden. Es wird sein wie immer. Sie werden darum streiten, wer mich mit aufs Zimmer nehmen "muss" und mich zwingen, das alles mitzuerleben. Ich will da nicht hin. Ich will überhaupt nicht mehr in die Schule. Wenn ich an die Klassenfahrt denke, rauschen die Gedanken wie ein grauer Schleier durch mein Hirn. Ich habe das Gefühl, mein Kopf platzt. Es wäre viel einfacher, dieses Elend endlich zu beenden und Schluss zu machen. Ob sie es bei meiner Beerdigung wohl bereuen würden?
Da höre ich diesen Song im Radio. "Steh auf!" von den Toten Hosen. Habe ich vor einer Weile schon mal gehört - mein Cousin ist Fan der Band. Ich lasse das Bügelbrett sinken und lausche dem Text und dem Beat. Ein paar trotzige, stille Tränen treten in meine Augen, schnell wische ich sie weg. Mama hat schon genug Sorgen mit mir. Ich atme noch einmal tief durch. Ich weiß, dass ich etwas tun muss. Einen Ausweg finden, um da heil rauszukommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich den Notausgang in ein besseres Leben und zu mehr Freude finden werde.
Die Musik verstummt. Ich weiß nun, was ich tun muss. Den Mund aufmachen, das Gespräch suchen... noch einmal. Vielleicht zum letzten Mal, bevor mich der Gegenwind umweht. Und wenn das nichts bringt? Dann ist es vielleicht irgendwann Zeit zu gehen. Das Setting zu wechseln, neue Leute, neuer Ort. Sobald ich den Mut dazu gefasst habe.
Warum ich dies mehr als 20 Jahre später mit euch teile? Vielleicht, um der einen oder anderen Person hier Mut zu machen, die Ähnliches erlebt oder erlebt hat. Und um deutlich NEIN zu Mobbing (auch Bodyshaming) zu sagen. In meinen Gedanken bin ich nach längerer Zeit meinen inneren Dämonen wieder begegnet und bereit, mit ihnen hoffentlich bald Frieden zu schließen. Auch wenn die Erinnerung niemals erlischt und Narben zurückbleiben. Aber ich trage sie mit Stolz - sie zeigen, dass ich diese Zeit überlebt und auf meinen eigenen Weg zurückgefunden habe. An alle, die Ähnliches "durch" haben oder sich gerade in einer so miesen Situation befinden: Gebt nicht auf. Die Welt ist voll von interessanten, wundervollen Menschen, die euch nicht für das hassen, was ihr seid. Sondern euch genau dafür wertschätzen. Die "echte" Welt ist größer und schöner, als ihr sie momentan wahrnehmen könnt. Aber ihr habt es nicht nötig, euch zum Opfer machen zu lassen. Euch unter Wert zu verkaufen.
Geht euren Weg - mit oder ohne diejenigen, die euch Steine vor die Füße werfen!
Herzliche Grüße,
Eure Cat
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