Vermutlich hat sich jeder erwachsene Mensch schon einmal mit seinem „Body Mass Index“ (kurz: BMI), einer Formel zum Größen- und Gewichtsverhältnis, beschäftigt. Man kommt ja auch nicht daran vorbei – nicht in den Medien, nicht beim Arztbesuch und nicht in alltäglichen Gesprächen zum Thema Gesundheit. Jeder kennt die Formel, doch nicht jeder kennt ihren Ursprung. Eine kurze Zeitreise in die Welt der Statistik und ein Blick auf alternative Ansätze.
Zu leicht, ideal, durchschnittlich, zu schwer und viel zu schwer –die Größe-und-Gewicht-Gleichung von Adolphe Quetelet aus dem 19. Jahrhundert gilt auch heute oftmals noch als individueller „Gesundheitsmarker“ in der Humanmedizin. Allerdings, und diese Tatsache ist vielen Menschen gar nicht bekannt, liegt der ursprüngliche Einsatzbereich der heutigen BMI-Formel gar nicht in der Medizin, sondern in der Statistiker. Quetelet war weder Mediziner noch Biologe, sondern Statistiker mit dem Ziel vor Augen, mit statistischen Methoden einen „gesellschaftlichen Querschnitt“ in Bezug auf menschliche Körper zu erstellen und den „Durchschnittsmenschen“ zu ermitteln. Zu Beginn nannte man diese Formel auch noch den Quetelet-Index.
Den Siegeszug seiner Berechnungsgrundlage in der Humanmedizin erlebte Quetelet nicht mehr mit, denn er verstarb bereits 1874. Es war der österreichische Universitätsprofessor, Mediziner und Sozialhygieniker Ignaz Kaup, der dem umstrittenen Quetelet-Index wieder als Richtlinie und sogenannten Kaup-Index Bedeutung im biologischen Diskurs einräumte. Hierzu sei gesagt: Keine dieser beiden Formeln galt ursprünglich als Indikator für Gesundheit oder Krankheit bei menschlichen Individuen, sondern als eher statistische Forschungsergebnisse.
Von berechnenden Versicherungen und Dollarzeichen
Dass der BMI auch heute als alleiniger Gesundheitsmarker (wieder) vielen Zweifel n unterliegt, erschließt sich de facto aus seinem profitablen Einsatz in kapitalistischen Gesundheitssystemen seit den 1980er Jahren. Versicherungen, auch Lebensversicherungen, müssen zur Berechnung von Policesummen immer mögliche „Risikokunden“ zwecks Ausschluss oder Beitragserhöhung identifizieren. Wer eher stirbt, weil seine körperliche Konstitution erwartbare Schwachstellen aufweist, löst seine Versicherungssumme über die potenziellen Erben eher aus und bringt der Versicherung weniger Beiträge ein.
So kaltblütig, so logisch – und so einfach, einen erhöhten BMI als „Risikoindikator“ für alle Versicherungen zu nutzen, die das Thema „Gesundheit, Krankheit, Sterblichkeit“ betreffen. Fun fact: Auch bei mir war einmal der Grund für eine Ernährungsumstellung mit Gewichtsreduktion, dass ohne "Risikostatus" und fianzielle Einbußen eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollte. Angehende Beamte werden übrigens nach Untersuchung durch den Amtsarzt oftmals nur dann verbeamtet, wenn ihr BMI einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Denn in den Gesundheitsprüfungen der Amtsärzte und Versicherungen wird genau dieser „Body Mass Index“als Kriterium verwendet. Ihr "Comeback" als „Gradmesser für Fettsucht“verdankt diese eigentlich alte Formel dem US-amerikanischen Physiologen Ancel Keys . Allerdings riet auch Keys in den 1970ern davon ab, den ehemaligen Quetelet-Index und Kaup-Index zur Bewertung der körperlichen Gesundheit einzelner Menschen zu verwenden. Seine Begründung: Zu einfach, zu eindimensional, zu wenige angrenzende Faktoren einberechnet. Dennoch wird der BMI- unter Zuhilfenahme weiterer Berechnungsmethoden – weiterhin aufgrund seiner Einfachheit in Anspruch genommen, unter anderem von der World Health Organization (WHO).
Wenn nicht BMI- was dann?
Da der BMI als alleiniger Indikator für ein individuelles „gesundes Körpergewicht“ zu Recht nicht ausreicht, lohnt es sich, einen Blick auf alternative Berechnungsmethoden zu werfen. Insofern man es generell für sinnvoll hält, Menschen zu „vermessen“, um ihren Gesundheitszustand festzustellen. Schließlich haben derart physiognomische Methoden auch immer ihre Tücken, führten in der Geschichte schon oft zu Vorurteilen, Lookismus und (lebens-)gefährlicher Diskriminierung. Der aktuelle Film „Der vermessene Mensch“ macht erneut deutlich auf diese Gefahren aufmerksam.
Broca- und Ponderal-Index
Aber zurück zum Hauptfokus dieses Artikels - zu den Berechnungsalternativen zum BMI. Vom Prinzip her am nächsten „dran“ sind sowohl der Broca- als auch der Ponderal-Index. Bei diesen beiden Berechnungsmodellen handelt es sich allerdings auch um sehr vereinfachte, alte Formeln, die ausschließlich Geschlecht, Alter (zweistufig), Größe und Gewicht berücksichtigen.
Body Adipositas Index
Hierbei handelt es sich um eine neuere und etwas kompliziertere Formel aus den USA, welche die individuelle Fettverteilung und die Körperform selbst zumindest ansatzweise in den Fokus rückt. Berechnet werden hier der Hüftumfang in Zentimetern geteilt durch Körperlänge in Meter hoch 1,5-18. Generell wird zusätzlich zu jeglichen Messmethoden zu einer Messung des Körperfettanteils geraten.
Taille-Hüfte-Verhältnis (THV)
Bauchfett rund um die lebenswichtigen inneren Organe gilt langfristig als besonders gesundheitsschädlich. Deswegen konzentrieren sich neuere Bestimmungsmethoden in Bezug auf Adipositas auf die Körperproportionen, so auch das Taille-Hüft-Verhältnis. Man berechnet es folgendermaßen: Taillenumfang in cm durch Hüftumfang in cm. Der „ideale“ THV-Wert liegt bei Männern bei 0,9 und bei Frauen bei 0,8. Ein hoher Wert bedeutet nach dieser Formel: zu viel Bauchfett und erhöhte Gesundheitsrisiken!
Waist-to-Height-Ratio (WtHr)
Die Waist-to-Height-Ratio bestimmt das Verhältnis des Taillenumfangs zur Körpergröße, deshalb nennt man es im Deutschen auch das „Taille-Größe-Verhältnis (TGV)“. Die Formel berücksichtigt sowohl die Fettverteilung als auch den Körperbau eines Menschen. Diese Eigenschaft macht genauer als alle anderen Berechnungen, die bisher genannt wurden. Die Formel sieht so aus: Taillenumfang (in cm) durch Körpergröße (in cm). Auch hier gilt: Je höher der Wert, desto mehr Bauchfett ist vorhanden. Der ideale Wert unterscheidet sich je nach Altersgruppe.
A Body Shape Index (ABSI)
Bei dieser Formel werden Körperfettanteil und Körperform als Hauptkriterien zugrunde gelegt – gemeinsam mit dem generellen BMI eines Menschen. Der ABSI berechet sich wie folgt: Taillenumfang (in m) / [BMI2/3 * (Körpergröße (in m))0,5]. Ein erhöhter Wert zeigt erneut übermäßiges Bauchfett an, wovon vor allem Menschen mit einer sogenannten „Apfel- oder O-Figur“ betroffen sind. „A-Figuren“ oder auch „Birnentypen“ mit erhöhtem Fettanteil am Gesäß oder an den Oberschenkeln sind laut ABSI jedoch weniger anfällig für ausgewiesene Folgeerkrankungen von Übergewicht.
Übrigens gibt es nun eine ganz neue Art, um sein ideales Körpergewicht zu bestimmen. Nämlich mit der sogenannten BVI-App (kurz für: Body Volume Indicator). Ich persönlich habe sie noch nicht getestet, aber falls jemand von euch neugierig auf noch mehr Trinonometrie am menschlichen Körper ist, go for it!
Alles so vermessen hier!
Also, ich weiß nicht, wie es euch gerade nach all diesen Formeln rund um euren Körper geht. Ich fühle mich gerade ein wenig überrollt von all diesen Möglichkeiten, die Form und aktuelle Beschaffenheit meines Körpers als Trigonometrie-Aufgabe für Fortgeschrittene zu betrachten. Dazu muss ich sagen: Geometrie war für mich in der Schule schon immer der absolute Killer, daran habe ich mir in der Oberstufe wirklich die Zähne ausgebissen. Auch wenn ich prinzipiell ein ZDF-Junkie bin („Zahlen, Daten, Fakten“), kann ich sehr gut verstehen, wenn einige Leserinnen und Leser sich bei so vielen standardisierten Berechnungsmöglichkeiten rund um den eigenen Körper unwohl in ihrer Haut fühlen. So, als sei der eigene Körper, dieser Teil des eigenen Seins, eine beliebige Nummer, ein technischer Nennwert. Vielleicht fühlt ihr euch –wie ich – von der Vielzahl der Berechnungsmethoden schlicht gerade erschlagen, denn es gibt zweifelsohne noch mehr davon.
Erst einmal: Ihr seid keine bloße Nummer auf einem Display. Ihr seid – bei allen unzähligen Fakten rund um euren Körper – einzigartig. Denn es gibt jeden und jede von euch nur einmal auf der Welt. Man darf diese Tendenz, alles zu „vermessen“ und zu standardisieren, durchaus auch kritisch und mit Unwohlsein betrachten. Deswegen möchte ich euch hier ein paar ganz andere Impulse an die Hand geben, die euch vielleicht diese eine entscheidende Frage beantworten: Ist es gut für mich, etwas am Umgang mit meinem Körper zu ändern? Hier sind ein paar ganz „unberechenbare“ Faktoren, die dafür sprechen könnten.
Schränkt dich irgendetwas an deinem Körper ein, dir bestimmte Träume und Wünsche zu erfüllen?
Kannst oder darfst du Dinge, die du magst, nicht tun, weil du z.B. mit Gewichtsbeschränkungen und Sicherheitsvorgaben in Konflikt kommst oder es die körperliche Konstitution nicht zulässt? Klassiker: Fahrgeschäfte im Freizeitpark, Ballonfahrt, Pferdesport, Bergwandern…
Fühlst du dich im Alltag, z.B. im Bereich der Beweglichkeit und Bewältigung „normaler“ Erledigungen, durch dein Gewicht oder deine körperliche Konstitution eingeschränkt? Einschränkungen durch nachgewiesene chronische Krankheiten wie Multiple Sklerose oder auch durch ein vorliegendes Handicap (z.B. nach einem Unfall) stellen hier Sonderfälle dar.
Hast du oft den Eindruck, gleichzeitig übersättigt und „schlapp“ zu sein? Dies kann auf eine zu nährstoffarme, aber kalorienreiche Ernährung hinweisen.
Fühlst du dich häufig von deinem körperlichen Empfinden „abgekoppelt“, spürst Hunger, Sättigung und andere Bedürfnisse nicht?
Leidest du häufig unter unerklärlichen Schmerzen, Kreislauf- und Konzentrationsstörungen, Essgelüsten, innerer Unruhe, Atembeschwerden oder Verdauungsbeschwerden?
Lässt dir der Gedanke an alltägliche Bewegung oder gar Sport aus dem Unterbewusstsein heraus die Nackenhaare zu Berge stehen?
Hast du oft das diffuse Gefühl, dass du deinen Körper nicht achtsam genug behandelst, ihn „falsch“ ernährst und auf Autopilot läufst?
"Schwächelt" dein Immunsystem und verfügt dein Körper z.B. bei Erkältungswellen nur über geringe Abwehrkräfte?
Hast du Probleme damit, deinen Körper zu akzeptieren oder entwickelst sogar Hassgefühle und Abscheu gegen ihn?
Möchtest du etwas an deinem Körper und Körpergefühl ändern (in einem machbaren und realistischen Maß), findest aber keinen Ansatzpunkt und Anfang?
Zahlen und Fakten sind gut – aber ohne unsere Intuition und einen Zugang zu unseren Gefühlen kommen wir auch in Bezug auf Körperwahrnehmung und unsere aus eigenem Wunsch heraus gesetzten Körperziele nicht weiter. Denn nicht nur jeder Mensch ist unverwechselbar, auch sein Stoffwechsel, seine genetischen und erworbenen körperlichen Voraussetzungen und seine persönlichen Ziele sind ganz unterschiedlich.
Mich persönlich hat eine intuitive Ernährungsweise in Verbindung mit unterbewusstem Mentaltraining überzeugt, um nicht mehr übermäßig ohne körperlichen Hunger zu essen du meine Bedürfnisse wiederzuentdecken. Aber diese Methode muss natürlich – siehe oben – nicht „eure“ werden! Welchen Weg ihr auch geht, um euch pudelwohl in eurer Haut zu fühlen – lasst euch nicht zu sehr in Standardschablonen pressen. J Denn wären alle Menschen gleich, wäre das Leben einfach nur langweilig. Übrigens: Wer sich einmal wirklich über Teile der Diätindustrie amüsieren möchte, sollte sich die „Fat Fighters“ aus der Serie „Little Britain“ nicht entgehen lassen ;).
Herzliche Grüße
Eure Cat
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