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Die Sanduhr ist durch - oder?

Kein weiblicher Körpertyp wird in den Medien, in der Beauty-Industrie und in der Mode so gefeiert wie die “Sanduhr“. Das bedeutet konkret: pralle Oberweite – schmale Taille – breitere Hüfte und runder Po. Bei einem flachen Bauch und schlanken Waden und Fesseln natürlich. Ansonsten wäre frau ja eine „Pyramide“ (A-Form) oder gar ein „O“, bei dem man keine Taille sieht. Oder ein „schlaksiges H“ ohne nennenswerte weibliche Attribute. In diesem Artikel frage ich mich: Woher kommt dieser Sanduhr-Hype, ist er noch zeitgemäß – und ist er nicht furchtbar anmaßend?





Früher habe ich mir öfter die TLC-Show „What Not to Wear“ angeschaut. Aus Interesse an Mode, aus Forschungsgründen (für eine Seminararbeit über Körperbilder) und hin und wieder auch einfach so zur Entspannung. Es gab keine Folge, in der Stacey oder Clinton nicht zwanzigmal betonten, welch tolle „hourglass shape“ (Englisch für: Sanduhrfigur) ein Outfit zaubert.


Die Sanduhr – ein weiblicher Archetyp


Die Erklärung, warum die Sanduhrfigur in allen möglichen Lebensbereichen als bevorzugter Körpertyp bei Frauen gilt, liegt wie meistens weit in der Vergangenheit. Denn sie ist seit Menschengedenken ein Symbol für Fruchtbarkeit und Gesundheit, ein sogenannter „weiblicher Archetyp“. Archetypen sind tief in unserem Unterbewusstsein verwurzelt, wie bereits in den Artikeln über den Halo-Effekt und Männlichkeitsideale beschrieben. Etwa ab der griechischen und römischen Antike tauchte übrigens dieser Archetyp der „schönen, fruchtbaren Frau“ auf, während Staturinen aus der der Steinzeit, zum Beispiel die „Venus von Willendorf“, noch durchweg üppige Frauen zeigten.





Nun haben sich weibliche Schönheitsideale über Jahrtausende natürlich immer mal wieder verändert – von „Rubensfrauen“ über „zierlich und androgyn“ bis hin zu „Heroin Chic“ und „Twiggy“. Betrachtet man allerdings das „durchschnittliche“ Unterwäschemodel, zum Beispiel für Victoria’s Secret, hat die Sanduhr nach wie vor noch oft die Nase vorn. Warum? Ganz einfach – Schönheitstrends ändern sich oft, Archetypen nur selten. Auch heute noch stehen „Fruchtbarkeit“ (vertreten durch ein sogenanntes „gebärfreudiges Becken“), „Mütterlichkeit“ (eine bestimmte Weichheit der weiblichen Statur im Vergleich zur männlichen sowie Brüste als Nahrungsquelle für einen Säugling) und „Gesundheit“/“Fitness“ (insgesamt schlanke, symmetrische Statur mit Muskeln statt „übermäßigen“ Fettablagerungen am Bauch) hoch im Kurs.





Eine Standardschablone für die „perfekte Frau“?


Da sich vieles im Unterbewussten abspielt, darf man natürlich niemanden dafür verteufeln, diesen Archetyp wahrzunehmen oder auch anzustreben oder zu bewundern. Dennoch lohnt es sich hin und wieder seine Wahrnehmungsstandards in Bezug auf Körper zu überprüfen und an eine höchst diverse, „bunte“ Realität anzupassen. Um eine „perfekte Sanduhr“ darzustellen und sich dadurch attraktiver und „wertvoller“ zu fühlen, tun Frauen rund um den Globus nämlich so einiges, was sie ziemlich unter Stress setzen kann. Manche Maßnahmen, um sich einen bestimmten Figurtypen anzueignen, wirken dabei geradezu extrem. Ein Überblick – von „harmlos, aber anstrengend und nervig“ bis „total übertrieben – bitte nicht nachmachen!“.


  • „Vorteilhafte“ Kleidung wählen, die von ungeliebten Körperstellen ablenkt und den Blick auf eine (echt oder künstlich) schmale Taille lenkt. Habe ich früher auch immer gemacht. Inzwischen ist es mir einfach zu anstrengend geworden, jeden Tag zehnmal mein Outfit zu überdenken.

  • Gezielte Fitnessübungen zum Fettabbau und Muskelaufbau. Daran ist erst einmal nichts auszusetzen. Solange diese Art von Sport auch wirklich aus eigener Motivation heraus betrieben wird. Und nicht etwa, weil Influencerin X oder Y verspricht, dass man durch einen perfekten Körper auch automatisch den perfekten Partner anzieht. Bewegung sollte vor allem erst einmal der Person Freude machen, die sie ausführt, und hier sind die Vorlieben sehr individuell.



  • Zweifelhafte „Stoffwechselbooster“, „Sättigungsshakes“ und „Abnehmpillen“. Na gut, hin und wieder kann man einen Eiweißshake als Mahlzeitenersatz durchaus trinken. Wenn es einem denn schmeckt und das körperliche Wohlbefinden unterstützt. Hellhörig sollte man bei diversen „Wundermitteln“ und „Stoffwechselboostern“ werden, vor allem, wenn einem die Werbung das Blaue vom Himmel verspricht. Pillen, Tropfen und Pülverchen ersetzen keine ausreichende Zufuhr lebenswichtiger Nährstoffe und keine Alltagsbewegung.

  • Ernährungstrends auf Youtube, Instagram und TikTok. Von „Clean Eating“ über „Detox-Smoothies” bis hin zu extremem Intervallfasten findet man eigentlich alles in sozialen Netzwerken, um vermeintlich dauerhaft schlank, fit und gesund zu werden (oder zu bleiben). Gerade der #thatgirl-Trend hat dem Thema gesunde Ernährung und Fitness sicher noch Rückenwind verliehen. Allerdings wird nicht umsonst dazu geraten, vor extremen Ernährungsumstellungen einen echten Mediziner zu konsultieren, sich ausführlich dazu beraten zu lassen und zwischendrin immer mal wieder einen Checkup im laufenden Prozess durchzuführen. Warum? Wenn’s schief geht, drohen unter anderem Mangelernährung, Leistungsabfall, Kreislaufprobleme und ein gestörter Stoffwechsel.



  • Extrem einseitige Diäten. Hallo, Mangelernährung und Jojo-Effekt! Als kurze Daumenregel: Dinge, die man dauerhaft unmöglich durchhalten kann, sollte man gar nicht erst anfangen. Auch, wenn sie auf den ersten Blick noch so viel Erfolg versprechen. Sich um den eigenen Körper zu kümmern, ist ein Marathon, kein Sprint. Es lohnt sich also, die vorhandenen Kräfte sinnvoll einzusetzen und einzuteilen.

  • Alles „Ungesunde“ krampfhaft aus dem Speiseplan verbannen. Klar ist es der Gesundheit nicht zuträglich, wenn man sich ausschließlich von Burgern, Schokolade und Tütensuppen ernährt. Sich aber komplett von Inhaltsstofflisten, Nährstoffgehalten und „idealen“ Portionsgrößen vereinnahmen zu lassen, kann vor allem der mentalen Gesundheit massiv schaden. Orthorexie ist eine ernste, wenn auch bisher zu wenig erforschte Essstörung. Und auf Dauer so gar nicht gesund.


  • Diabetesspritzen ohne Diabeteserkrankung einsetzen, um schnell abzunehmen. Also, nun mal Tacheles … Den Promis, die so etwas vormachen, ist ihr Ruhm vielleicht etwas zu Kopf gestiegen? Anders kann ich mir so viel bewusste Selbsttäuschung und Rücksichtslosigkeit nicht erklären. Also, erstens … Wer sich für einen straffen Hintern Diabetesmedikamente spritzt, ohne einen entsprechenden Befund zu haben, killt seinen eigenen Stoffwechsel und gefährdet massiv die eigene Gesundheit. Zweitens … Wer diese Medikamente nutzt, nur um „besser auszusehen“, nimmt denen, die sie brauchen, ihre teilweise überlebenswichtige Medikation weg. Damit ist das Ganze auch noch asozial und fällt unter die Kategorie „Bitte nicht nachmachen!“.



  • Fettabsaugung und Fetteinspritzung und andere Beauty-OPs ohne medizinischen Anlass. Um das gleich klarzustellen: Jeder Mensch darf, soll und muss seine eigenen Entscheidungen treffen. Und es steht mir nicht zu, das Körpergefühl und die Körperbeschaffenheit anderer Personen zu verurteilen. So sind in manchen Fällen sicher auch Fettabsaugungen, Magenverkleinerungen, Bauchdeckenstraffungen oder Brust-Operationen sinnvoll. Solange Patientinnen und Patienten in Anbetracht der immensen „Kosten“ (finanziell und gesundheitlich – plastische Chirurgie ist ein medizinischer Eingriff) auch einen dauerhaften Nutzen davon haben. Deswegen möchte ich nur allen Leserinnen und Lesern ans Herz legen: Überlegt vor einer Schönheits-OP, ob sie wirklich notwendig, sinnvoll und alternativlos für euch und euer Körpergefühl ist. Wenn ja – go for it! Ein TikTok-Trend rund um den „Kardashian Booty“ oder seltsame Schönheitsideale aus Hollywood fallen aber nüchtern betrachtet in keine dieser Kategorien.

Body Diversity: Ist die Zeit der Sanduhr abgelaufen?


Sollte bei irgendjemandem der Eindruck entstanden sein, ich hätte etwas gegen „Sanduhren“, „Idealtypen“ und Frauen, die von Natur aus oder durch einfaches Training so aussehen… Nein, absolut nicht. Ich bezweifle nur, wie viele andere Befürworter körperlicher Vielfalt (oder Englisch: Body Diversity), dass andere Körperformen „weniger liebenswert“ sein sollen oder keinen Respekt verdienen.





Vereinfacht ausgedrückt: Es ist in Ordnung, seine Taille zu betonen – man muss es aber nicht. Bewegung und eine ausgewogene Ernährung tun jedem Körper gut, egal ob er wie ein X, ein A, ein H oder ein O geformt ist. Und wenn plastische Chirurgie der einzige Weg für einen Menschen ist, unbeeinträchtigt zu leben und sich in seiner Haut wieder wohl zu fühlen, ist auch dies eine lohnenswerte Option. Die Welt um uns herum lässt sich ebenso wenig in „Schwarz“ und „Weiß“ einteilen wie Körperformen in „gut“ und „schlecht“, „schön“ und „hässlich“. Vielfalt ist super. Betrachtet doch einmal beim nächsten Schwimmbadbesuch die Menschen um euch herum mit Wohlwollen – und seht dann selbst in den Spiegel, um euch zu ermutigen: „Das ist MEIN Körper, er ist wertvoll und es gibt ihn nur einmal auf der Welt!“. Lasst euch da kein X für ein A mehr vormachen, hört auf, zwanghaft Äpfel mit Birnen zu vergleichen und steht zu dem, was die Natur euch mitgegeben hat!


Viel Erfolg auf eurem Weg zu mehr Körperzufriedenheit wünscht euch


Eure Cat!

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