Hast du bei dem Titel gerade ein wenig ungläubig geblinzelt und gedacht, diese Wortwahl ist echt unterste Schublade? Gut so, denn das war Absicht. Nomen est Omen. Und ich werde in diesem Post kein Blatt vor den Mund nehmen. Diese unerwünschte ständige Belegung des (zumeist weiblichen) Hinterteils mit sexuellen Fantasien ist nämlich WIRKLICH arschig. Und mindestens so primitiv wie meine ironische Headline.
So, Cat, einmal durchatmen bitte und die Vulgärsprache seinlassen… Was sollen denn die Kinder denken, wenn sie das mitkriegen? Ommmmmm … Sexismus gibt’s doch heutzutage gar nicht …. Doch, gibt es, man muss nur mal seinen Newsfeed in (a)sozialen Medien durchscrollen. Oder sich ein paar Lieder von Künstlern wie Flo Rida MIT passendem Video anschauen. Habe ich gerade gemacht, und die Art, wie darin leicht bekleidete Frauen als Wi*chsvorlage (Aus, Sitz, Platz – sowas sagt man nicht!) dargestellt werden, macht mich so wütend, dass ich danach den selbstzufrieden grinsenden Typen selbst den Hintern versohlen würde. Ohne jeglichen sexuellen Hintergrund – einfach nur, damit sie Respekt vor anderen Menschen lernen.
Aber da die Prügelstrafe als pädagogisch unwirksame Strafe gilt und noch dazu illegal ist, lassen wir das und beschränken uns aufs Fremdschämen über so viel ungezügelten Triebausdruck. Ich bin dann mental mal im Keller- das ist eine ganze Etage tiefer. Und ja, ich würde mich auch fremdschämen, wenn es die Frauen in den Videos wären, die Männer am Strand mit unangenehmen Blicken, anzüglichen Sprüchen und Gesten sowie Klapsen auf den Po auf die Pelle rücken würden. Oder sollte man es eher „am Arsch kleben“ nennen? Und warum scheuern die Frauen im Video aufdringlichen Typen nicht einfach mal eine, dass die Zähne wackeln, oder rufen zumindest die Security? Ja, sorry, ich weiß. Es sind Musikvideos. Fi(c)ktionale Kunstprodukte, gecastet, gedreht, gecuttet, um Partystimmung zu erzeugen und Zuschauer anzuziehen. Hat ja auch bei mir funktioniert – wobei meine Augenbrauen nach dem dritten Video beim Haaransatz angekommen waren.
„Standardhintern“ und steinzeitliche Rollenbilder
Ich bin in Sachen „Sexismus und Medien“ eben eine Spielverderberin, weil ich weiß, wie sehr Medienbilder die Selbst- und Fremdwahrnehmung prägen. Aber dieses Kapitel hier komplett aufzuschlagen, sprengt eindeutig den Stringtanga und versperrt das Sichtfeld auf das Hauptthema dieses Beitrags. Nämlich, warum dieser ganze kollektive Fetisch um den „perfekten“ Hintern totaler Bullshit ist und wie man es schafft, dass einem dieser Irrsinn komplett am Arsch vorbei geht. Eben Körperneutralität in ihrer reinsten und radikalsten Form.
Also, wie bin ich eigentlich auf die irrsinnige Idee gekommen, mir diese ganzen Musikvideos von Männern mit Pofetisch anzuschauen? Der Auslöser für das Po-Thema war im Grunde eine Online-Werbeanzeige für eine pupsnormale Yogahose, Jeggings, Leggings …wozu auch immer man diese Art „zweite Haut“ verwenden will. Die Anzeige lief unter dem Motto: „Wenn dein Mann sieht, dass du diese Hose trägst“ … Jup, und los ging’s Richtung Neandertal. Wobei man den Neandertalern ihre Triebhaftigkeit noch eher nachsehen würde als Männern im 21. Jahrhundert. Einmal Fremdschämen, volle Dröhnung, bitte! Meine Augenbrauen bekamen mal wieder ein unfreiwilliges Extremlifting. Wenn ich den Link noch einmal finde, teile ich ihn gern unter diesem Beitrag. Der traurige Höhepunkt neben Männern, die ihrer Frau ungefragt Klapse geben, „heimlich“ sehr eindeutige Gesten machen oder sie gar hochheben und ins Schlafzimmer schleppen ist ein Schuljunge, der seiner Mutter auch anzüglich auf den Hintern haut. Kinder lernen eben vom Vorbild –bei diesen Vorbildern denkt man sich seinen Teil. Und mal ehrlich: So sieht mein Hintern auch aus, wenn ich ihn in eine zu kleine Shapewear-Leggings stopfe. Ist nur eben arg unbequem und das Gegenteil von entspannt und praktisch.
Wenn es nur diese eine Werbung wäre, könnte ich schmunzeln und darüber hinwegsehen. Aber zurzeit werde ich durch irgendeinen Facebook-Algorithmus mit diversen Hosenwerbungen für einen „makellosen und straffen Po“ zugespammt. Was soll ich damit? Ich finde die künstlich hochgepushten Pobacken à la Kardashian nicht einmal optisch besonders ansprechend. Im Gegenteil, es wäre mir total unangenehm, wenn mein extrem betonter, breiter Hintern jedem sofort „ins Gesicht springen“ würde. Deswegen mag ich es nicht, mich im Kino oder Theater durch enge Reihen zu schlängeln. Und deswegen trage ich auch sehr gerne lange Oberteile, die über den Po gehen. Was natürlich eine Stil- und Geschmacksfrage ist. Überhaupt, wer bestimmt eigentlich, wie so ein Po auszusehen hat? Ist es nicht komplett irre, sich ohne medizinische Notwendigkeit an der Kehrseite Fett absaugen zu lassen oder die Pobacken mit Silikon aufpolstern zu lassen, damit sie aussehen wie der „ideale Standardhintern“?
Warum Menschen einen Popo haben
Frage ich meine Kinder, warum Menschen eigentlich einen Popo haben, bekomme ich ziemlich ehrliche, logische Antworten. „Das tut doch sonst weh beim Sitzen!“ zum Beispiel, oder: „Damit man aufs Klo gehen kann!“. So viel gesunder Menschenverstand gibt mir einen Hoffnungsschimmer zurück, dass die Menschheit noch nicht komplett durch irgendeinen Beauty-Filter gezogen wurde. Also, schnell raus aus der Sex- und Werbeblase und „back to the facts“. Hier kommen ein paar sehr nüchterne, aber imPOsante Fakten darüber, welchen Zweck unsere Kehrseite erfüllt.
Die Pobacken schützen den Anus und Teile des Intimbereichs vor Verletzungen und Parasiten. Sonst lägen diese empfindlichen Bereiche ja vollkommen schutzlos frei – und das wäre eher ungesund. Beim Toilettengang würde außerdem alles sofort … na lassen wir das. Sonst wird es unappetitlich.
Das Fett an den Pobacken dient als Polster. Man spricht nicht umsonst von „Sitzfleisch“. Darauf sind wir Menschen als aufrecht gehende Spezies in Maßen auch angewiesen – denn sonst würden wir bei jedem Hinsetzen vor Schmerzen schreien und uns dauernd das Steißbein brechen.
Der Po dient als Fettspeicher für Hungersnöte. Klingt erstmal weniger positiv – hat sich die Evolution aber mal so „ausgedacht“, damit der Körper in Zeiten von Nahrungsmangel von Fettreserven an unterschiedlichen Körperstellen zehren kann.
Der Po ist Teil unseres Bewegungsapparats. „Beweg deinen Hintern doch mal von der Couch!“ ist mehr als ein gut gemeinter Fitnessratschlag sehr direkter Zeitgenossen. Denn natürlich befinden sich im Po nicht nur Fettzellen, sondern auch Muskeln, Sehnen und Faszien. So trägt der Po dazu bei, die Körperspannung zu halten – Stichwort aufrechter Gang- und dient in Grunde auch als anatomisches äußeres Bindeglied zwischen der Steißwirbelsäule und dem Becken. Fun-Fact: Es gibt Menschen, die die Pobacken einzeln bewegen können. Sieht sicher interessant aus.
A propos Becken: Frauenhintern sind nicht breiter, um Männer zum Sabbern zu bringen. Dass das (biologisch) weibliche Geschlecht untenrum „runder“ angelegt hat, liegt rein in der Tatsache begründet, dass das weibliche Becken eben breiter und flexibler gebaut ist als das männliche. Da soll ja eventuell mal ein Babykopf durchpassen. In der Schwangerschaft legt der Po zum Ärger vieler Frauen übrigens auch oft ein wenig zu. Dies dient vor allem dem Gleichgewicht, da der runder und schwerer werdende Bauch sonst die Balance stören würde.
Soweit die wichtigsten Funktionen unseres Hinterteils. Aber Moment, da war doch noch … die Sache mit dem Sex und der erotischen Anziehung. Die wäre normalerweise in der Rangfolge all dieser wichtigen Aspekte zu vernachlässigen. Allerdings gibt es ohne Geschlechtsverkehr zumindest nach evolutionären Gesetzen auch keinen Nachwuchs, ganz vergessen darf man das also doch nicht. Der Steinzeitmann hat einen runden, straffen und vergleichsweise breiten Po bei der Steinzeitfrau gemeinhin als Zeichen für Gesundheit und Fruchtbarkeit angesehen. War in der Steinzeit, ohne moderne Medizin, besondere Bildung und Technologie ja auch durchaus von Bedeutung. Was ich in der Tierwelt jedoch witzig finde: Bei vielen anderen Tierarten entscheidet das Hinterteil des Männchens über die Attraktivität bei der „Damenwahl“. Bei Pavianen zum Beispiel, oder auch bei Pfauen. Oder auch für männliche Vertreter der menschlichen Spezies wie... diese hier ;).
Körper sind kein Spielzeug!
Man darf sich unabhängig vom Geschlecht natürlich so kleiden, dass man sich attraktiv für potenzielle Sexualpartnerinnen oder Sexualpartner fühlt. Der Anblick eines Männerhinterns im Ledertanga lässt bei Stripshows schließlich auch Frauen hysterisch und in Ekstase kreischen. Ich gebe zu – ich kann mit rein sexbasierten Shows nichts anfangen. Denn wie ich schon beim Thema Brüste in einem anderen Beitrag bemerkte, sind Nacktheit und Sex für mich zwei total unterschiedliche Dinge. Wer im Designsektor tätig ist, kennt vielleicht die „3F-Regel“: Form follows function! Genauso sehe ich es mit den einzelnen „Bauteilen“ des menschlichen Körpers auch. Erst kommt die Funktion, der biologische Daseinszweck – dann die Ästhetik, wie auch immer diese in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten aussehen mag.
Normalerweise sollten mir anzügliche Werbeformate, Musikvideos und Sprüche also sprichwörtlich am Arsch vorbeigehen. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle noch einmal an alle Liebhaberinnen und Liebhaber eines „schönen“ Hinterteils appellieren, ihr Hirn dabei nicht komplett auszuschalten und grundlegende Regeln und Grenzen des zwischenmenschlichen Respekts einzuhalten. Und an alle Menschen, die sich aufgrund der Form, Größe und Beschaffenheit ihrer Kehrseite vielleicht unsicher und weniger attraktiv fühlen: Lasst euch nicht von Schönheitsidealen blenden und verarschen. Euer Po tut jetzt schon genau das, was er soll und ist gut, wie er ist. Wer etwas ändern will, soll das immer tun – aber nur aus eigenem Antrieb heraus. PS: An heißen Tagen immer an genügend Flüssigkeit denken und sich beim Schwimmen nicht von Haien in den Po beißen lassen verlängert das Leben ;).
Noch eine kurze Notiz zu Flo Rida am Schluss … Es war nie meine Absicht, jemanden als Musiker schlecht zu machen, denn den Typen gibt es durchaus unter der Kategorie „coole Musik zum Abtanzen“. Ganz ohne anzügliche Lyrics und mehr halbnackte Pobacken in eindeutiger Pose, als man zählen kann. Und nun entschuldigt mich bitte – vom langen Sitzen beim Schreiben dieses Textes tut mir langsam der Hintern weh und ich muss nun ein wenig meine Faszien dehnen.
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